Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)
geringe Ausbeute erster Sphere -Abfragen stachelten seinen Ehrgeiz im Gegenteil eher noch an.
Irgendjemand musste Informationen über diese merkwürdigen Geschöpfe besitzen, wenn schon nicht über den Mutanten, dann doch wenigstens über die Vogelwesen selbst. Morcellis Zirkusstadt war sicherlich nicht die einzige, die von den Goleanern beliefert worden war, anderenfalls hätte sich die Zucht kaum gelohnt. Und was war mit dem Planeten selbst und den Hinterlassenschaften der Flüchtigen? Fliegende Städte boten nur begrenzten Raum und waren kaum geeignet, alle Geschöpfe zu transportieren, die die Goleaner im Lauf der Jahrhunderte gezüchtet hatten. Also hatten sie die Mehrzahl davon vermutlich zurückgelassen. Wenn dem so war, dann gab es auch Unterlagen darüber, was aus diesen Hinterlassenschaften geworden war. Man musste sie nur finden …
Varley arbeitete nicht nur selbst bis in die tiefen Nachtstunden, sondern traktierte auch sein Faktotum mit einer derartigen Fülle von Aufträgen, dass die sensible KI von Tag zu Tag einsilbiger wurde und schließlich sogar eine erschöpfungsbedingte Ruhepause einforderte.
»Kommt gar nicht infrage, James«, beschied Johnny seinen Gehilfen. »Die Nacht ist noch lang, und eine Handvoll Abfragen doch wohl kein Problem für einen Intellekt deines Kalibers.«
»Im Petabytebereich schon«, beklagte sich James in einem so jämmerlichem Tonfall, dass Johnny sich das Lachen verbeißen musste. »Dieser Datenmüll blockiert meinen Speicher und degradiert mich zum Erbsenzähler. Außerdem schläfst du ja auch.«
»Das ist erstens nicht in mein Belieben gestellt und hat zweitens nichts mit den Pseudobedürfnissen einer verwöhnten Hilfsintelligenz zu tun. Außerdem steht es dir ja frei, die Abfragen so zu optimieren, dass du weniger Erbsen zählen musst.«
»Aber es ist langweilig«, murrte James, »und außerdem hindert mich dieser Routinekram daran, mich interessanteren Dingen zu widmen.«
»So etwas nennt man gemeinhin Arbeit«, konterte Johnny schulterzuckend. »Damit verdienen wir unseren Lebensunterhalt, falls dir das entfallen sein sollte. Du bist nicht hier, um dich zu amüsieren.«
»Bloß weil du nicht mehr ausgehst, musst du mich aber nicht wie einen Sklaven behandeln«, beschwerte sich sein Faktotum. »Ich kann mich ja schließlich nicht auch noch um deinen unausgeglichenen Hormonhaushalt kümmern.«
»Wie bitte?«, erkundigte sich Johnny ungläubig.
»Ach, nun tu doch nicht so. Männer mit erektiler Dysfunktion neigen nun einmal dazu, sich Ersatzbefriedigungen zu suchen. Das kann man auf jeder besseren Ratgeberseite nachlesen.«
»Männer mit erektiler … was?« Johnny war nahe daran, laut herauszuplatzen, aber er kämpfte das Zucken in seinem Zwerchfell tapfer nieder.
»Dysfunktion«, erklärte James herablassend. »Umgangssprachlich auch ›Impotenz‹ genannt. Es gibt im Übrigen Medikamente dagegen …«
»Vielleicht sollte ich dir tatsächlich eine Pause gönnen«, bemerkte John mit einem vielsagenden Blick Richtung Hauptschalter, »und mir in der Zwischenzeit überlegen, ob es sich empfiehlt, eine so impertinente Kreuzung aus Elektronikschrott und Proteinabfällen weiter durchzufüttern.«
Er verkniff sich ein Lächeln, das James vermutlich als Entwarnung gedeutet hätte. Obwohl sein Faktotum mit seinen Schlussfolgerungen gründlich danebenlag, durfte er ihm nicht alles durchgehen lassen. Seit seiner Rückkehr aus Patonga war er in der Tat nicht mehr aus dem Haus gegangen. Das hatte nur vordergründig etwas mit Rays Warnung zu tun, die er ohnehin für überzogen hielt. Wer sollte ihn verfolgen und vor allem weshalb? Als Person war er zu unbedeutend, und außerdem wussten die beteiligten Parteien auf Patonga vermutlich mehr über die Hintergründe seines Auftrags als er selbst. Ailin war jedenfalls erstaunlich gut informiert gewesen …
Nein, die Gründe für seine Zurückhaltung lagen anderswo. Marietta hatte zweimal angerufen, und er hatte sie jedes Mal vertröstet und gehofft, dass sie ihm die Verlegenheit nicht ansah. John hatte zwar nicht direkt gelogen – er arbeitete ja tatsächlich an einem dringenden Auftrag –, aber ein paar Stunden hätte er sich schon loseisen können. Das Problem war, dass er Marietta mochte und sich schäbig vorgekommen wäre, wenn er mit ihr schlief, nur um Ailin zu vergessen. Davon konnte sein Majordomus natürlich nichts wissen, und Johnny hatte auch nicht vor, ihn darüber aufzuklären. Aber weshalb widersprach die
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