Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)
und registrierte amüsiert, wie ein Hauch von Rot die Wangen der Spanierin überzog.
»Dafür gibt es ganze Reihe von Präzedenzfällen, die bis zurück in die Antike reichen«, dozierte Vera. »So ist zum Beispiel überliefert, dass sich Pythia, die Priesterin des berühmten Orakels von Delphi, regelmäßig durch giftige Dämpfe aus einer Erdspalte in Trance versetzen ließ …«
»Was meine Frage nicht unbedingt beantwortet«, unterbrach der Kommandant ihre Ausführungen. »Ich wollte eigentlich wissen, ob du diese Art von drogeninduzierter ESP aus wissenschaftlicher Sicht für möglich hältst.«
»Du weißt, dass ich diese Frage nicht beantworten kann, Ray«, erwiderte Vera mit sanftem Tadel. »Du als Kommandant musst entscheiden, ob du diesem Mr. Morrison vertraust oder nicht. Im Moment vergibst du dir allerdings nichts, wenn du diese Entscheidung noch ein wenig aufschiebst.«
»Das sehe ich ähnlich«, stimmte Ortega zu. »Allerdings nur unter der Bedingung, dass uns diese Eidechse nicht zu nahe kommt …«
»Also gut«, seufzte der Kommandant angesichts dieser überraschenden Allianz. »Dann stellen wir die Frage der Zusammenarbeit bis zum Ende des Transfers zurück und versuchen bis dahin, uns zusätzliche Informationen zu beschaffen.«
Die Unterredung hatte kaum neue Erkenntnisse gebracht, aber wenigstens hatte er einen Eklat vermeiden können, jedenfalls bis zu dem Augenblick, in dem Roberta in fast beiläufigem Ton fragte: »Woher kennen wir eigentlich die Koordinaten dieses seltsamen Tunnels, Ray? Die Nemesis hat meines Wissens nichts dergleichen übermittelt …«
Nach einer Schrecksekunde erwiderte er förmlich: »Das sollten wir besser ein anderes Mal besprechen, LC. Im Moment genießt unser Eidechsenfreund Priorität. Wir sehen uns dann auf der Brücke.«
Ortega sog hörbar die Luft ein, beherrschte sich dann aber und schaffte es sogar, ein einigermaßen verbindliches »Wie du meinst, Ray« zu formulieren, bevor sie, ohne Farr eines Blickes zu würdigen, hinausstolzierte.
»Besonders diplomatisch war das nicht«, bemerkte Vera, nachdem die Kabinentür ins Schloss gefallen war. »Du wolltest nicht antworten, oder?«
»Stimmt«, erwiderte Farr trocken. »Es handelt sich um eine vertrauliche Information.«
»Die auch dein Schiff nichts angeht?« Der leicht ironische Unterton in Veras Stimme konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie eine ernsthafte Antwort erwartete.
»Genauso ist es«, stellte der Kommandant klar. »Die exakten Koordinaten kannst du jederzeit aus dem Navigationsmodul auslesen. Etwas anderes steht nicht zu Diskussion.«
»Vertrauen sieht anders aus, Ray.«
»Das überlasse ich deiner Interpretation. Als Kommandant dieses Schiffes muss ich abwägen, ob die Weitergabe einer vertraulichen Information hilfreich ist oder ein potenzielles Risiko darstellt. Nichts anderes habe ich getan.«
»Danke, dass du es mir erklärt hast, Ray«, lenkte die KI ein. »Ich hätte deine Entscheidung ohnehin respektieren müssen, aber so kann ich sie besser einordnen. Bei Mrs. Ortega dürfte es schwieriger sein.« Sie lächelte und er grinste zurück.
»Keine Sorge, Robertas Stimmungen sind nie von Dauer. Viel beunruhigender finde ich die Aussicht, die Hemera in einen Abgrund zu steuern, dessen Tiefe und Beschaffenheit niemand kennt. Wäre es ein militärischer Auftrag, hätte ich kein Problem damit, so hingegen ist eben auch Privates im Spiel …«
»Das ist eine Phantomdiskussion, Ray. Ihr habt diese Entscheidung doch längst getroffen, jeder für sich selbst. Also werdet ihr den Tunnel durchqueren, ganz gleich, was euch am anderen Ende erwartet. Wie wollt ihr die Nemesis sonst wiederfinden? Im Übrigen bin ich die Einzige, die Grund hätte, sich zu beklagen. Mich hat nämlich niemand gefragt, ob ich mitkommen möchte …« Die Frau auf dem Bildschirm zog einen Flunsch, aber ihre Augen lachten.
»Und würdest du, nach allem, was du inzwischen in Erfahrung gebracht hast?«
»Schon allein aus Eitelkeit.« Vera grinste. »Ich könnte in der Sphere spazieren gehen und die anderen tuscheln hören: ›Erkennst du die nicht? Das ist doch Vera, die KI der berühmten Hemera. Wir sollten ihr einen ausgeben, vielleicht erzählt sie uns dann ein bisschen was von ihren Abenteuern.‹ Ich werde nie wieder arbeiten müssen.«
»Na, hoffentlich trägst du dann nicht zu dick auf«, erwiderte Farr amüsiert. »Ich wollte, es würde so kommen.«
»Warum denn nicht? Wir haben doch die besten
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