Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)
auch wenn es aufgrund der enormen Entfernungen wohl noch einige Zeit dauern würde, bis die Stadt die Transaktion umgesetzt hatte.
Doch kaum hatten Käufer und Verkäufer wieder Platz genommen, ertönte ein akustisches Signal und eine Hologramm-Schriftzeile bestätigte den Eingang der Zahlung. Gleichzeitig öffnete sich auf Johns Seite ein Schubfach, das einen Satz Unterlagen sowie diverse Keykarten und -sticks enthielt – offenbar die Zugangs- und Betriebscodes des Raumschiffes.
John Varley nahm die Unterlagen an sich, stand auf und deutete eine Verbeugung an, die sein Gegenüber mit übertriebener Höflichkeit erwiderte, bevor er sich vor Johnnys Augen buchstäblich in Luft auflöste.
Ein Avatar! John stieß überrascht die Luft aus. Also hatte er seine Emotionen umsonst verschwendet, und der fischkalte Händedruck, vor dem er sich so geekelt hatte, war wie die Gestalt des Verkäufers nur das Resultat telesuggestiver Beeinflussung gewesen! Ailin würde sich ausschütten vor Lachen, wenn sie davon erfuhr.
Kopfschüttelnd verließ Johnny den Verhandlungsraum. In Freehaven galten also selbst Avatare als geschäftsfähig, solange sich ihre Auftraggeber an die Regeln hielten. Vielleicht hatte Ailin sogar von dieser Praxis gewusst und sich aus diesem Grund geweigert, das Geschäft selbst abzuschließen. Sie hielt nichts von virtuellen Erscheinungen gleich welcher Art und ging ihnen nach Möglichkeit aus dem Wege. Bei anderer Gelegenheit – es war wohl um James’ Reaktivierung gegangen – hatte Ailin durchblicken lassen, dass ihre Abneigung weniger den Phänomenen als vielmehr der Sphere selbst galt, der sie offensichtlich misstraute. Freehaven galt zwar als informationstechnisch autark, aber das änderte nichts an ihrer grundsätzlichen Skepsis, über deren Gründe sie sich jedoch ausschwieg wie über so vieles andere auch …
Ailin wartete wie vereinbart an der schwimmenden Bar der Lobby und winkte John mit ihrem Cocktailglas zu, als fürchtete sie, er könnte sie übersehen. Die Gefahr war allerdings gering. Nicht nur ihr knapp geschnittenes schwarzes Kostüm, ihre ganze Erscheinung erinnerte ihn schmerzhaft an Patonga und ihre erste Begegnung auf der Dachterrasse des Excelsior .
Das im Grunde harmlose Klonmädchen, als das Ailin ihm avisiert worden war, hatte sich als eine Sphinx erwiesen, an deren Geheimnissen man besser nicht rührte. Sie hatte Johnnys Leben in einer Weise verändert, die ihn manchmal an seinem Verstand zweifeln ließ. Ihretwegen hatte er seine Existenz aufgegeben, sein Zuhause und jahrzehntelange Gewohnheiten, und das Seltsame daran war, dass er das Verlorene kaum vermisste.
In den wenigen Wochen, die sie seit ihrer Flucht aus New Stanford gemeinsam unterwegs waren, hatte John Varley mehr gesehen und erlebt als in all den Jahren zuvor, und so wie die Dinge standen, war das wohl erst der Anfang …
»Und wie ist es gelaufen?«, erkundigte sich Ailin eher beiläufig, nachdem sie ihm einen Kuss auf die Wange gehaucht hatte.
»Zwei Millionen«, erwiderte John schulterzuckend. »Darunter wollten sie es nicht machen. Ich hoffe, das liegt noch im Limit.«
»Mach dir nur darum keine Sorgen, Johnny.« Die Frau lächelte. »In jedem Fall dürfte das Geld noch reichen, um deinen Freund James zu reaktivieren.«
»Stimmt, das hatte ich fast vergessen. Bei den Preisen hier könnte das zum Problem werden.« Der sikhanische Händler hatte zwar versprochen, ihnen ein faires Angebot zu machen, aber da er die benötigten Spezialmodule erst beschaffen musste, war die Kostenfrage offengeblieben.
»Red keinen Unsinn, John«, erwiderte die Frau hart. »Wir werden uns schon einigen. Ich glaube nicht, dass der Händler es darauf anlegt, uns zu übervorteilen.«
»Du meinst, weil die Stadt sämtliche Geschäfte überwacht?«
»Nein, in Freehaven herrscht Vertragsfreiheit. Die Stadt würde einen Kaufpreis von einem Credit genauso akzeptieren wie einen von einer Million. Trotzdem wird unser maskentragender Freund nicht versuchen, den Bogen zu überspannen.«
»Und was macht dich da so sicher?«
»Sikhaner sind ebenso geschäftstüchtig wie abergläubisch, entsprechend wird er uns einen Preis machen, der ihm einen gewissen Profit einbringt und ihn gleichzeitig ruhig schlafen lässt.«
Etwas in ihrem Blick hielt John davon ab, weiter nachzufragen, also begnügte er sich mit einem gemurmelten »Hoffen wir, dass du recht behältst«.
Ailin belohnte ihn mit einem strahlenden Lächeln und nahm seine Hand, als
Weitere Kostenlose Bücher