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Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)

Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)

Titel: Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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aus seiner Erstarrung, dennoch dauerte es einen Moment, bis er seine Umgebung wieder bewusst wahrnahm.
    Es war Ailin, natürlich, die auf eine Rückmeldung wartete. In seiner Konzentration auf die Bilder hatte er sie völlig vergessen. Verlegen murmelte John eine Entschuldigung, aber sie schien nicht ernstlich verstimmt zu sein.
    »Ich dachte mir schon, dass du es wieder einmal nicht erwarten konntest«, bemerkte sie mit einem Lächeln, das alles Mögliche bedeuten konnte. »Treffen wir uns bei dir oder bestehst du auf einem neutralen Ort?«
    Als ob dir der Unterschied etwas ausmachen würde , dachte Johnny, behielt den Kommentar aber für sich.
    »Nein, das ist schon okay«, sagte er laut. »Vielleicht hast du ja eine Idee, was das alles zu bedeuten hat.«
    »Dann bis gleich.«
    Keine Minute später klopfte es an der Tür, und als Ailin eintrat und er den Duft ihres Parfums roch, musste John fast zwanghaft an ihre erste Begegnung auf Patonga denken. Aber das hier war kein Hotelzimmer und Stamfani kein Südseeparadies …
    »Also, was haben wir?«, erkundigte sich Ailin, kaum dass sie Platz genommen hatte. Ihr Blick war ernst und konzentriert, als sie sich der HV-Projektion zuwandte, die momentan noch ein Standbild zeigte.
    »Zumindest jede Menge Bildmaterial. Das meiste habe ich noch nicht ansehen können, aber die entscheidende Szene dürfte die hier sein«, erwiderte John und startete die Videosequenz.
    Die ersten Aufnahmen zeigten eine fast unübersehbare Menge von Vogelwesen, die einzeln oder in Gruppen das von kahlen Felsen gesäumte Areal jenseits des Flugfeldes bevölkerten. Dabei verhielten sie sich jedoch auffallend ruhig, sodass man hätte glauben können, das Bild sei immer noch eingefroren. Nur die eine oder andere zufällige Bewegung und das Rauschen der fernen Brandung verrieten, dass das Video bereits lief. Noch seltsamer erschien allerdings der Umstand, dass die Vogelmenschen allesamt in die gleiche Richtung schauten – wie Zuschauer eines Freilufttheaters.
    Ihre Aufmerksamkeit galt einer felsigen Erhebung, die wohl als Bühnenersatz diente, denn alsbald erschien dort eine weiß gewandete Gestalt und hob die Arme zu einer segnenden oder beschwichtigenden Geste.
    Trotz der deutlich erkennbaren Flügel ähnelte sie eher einem hochgewachsenen Menschen als einem Vogelwesen, aber das konnte auch das Resultat geschickter Verkleidung sein. Ihre Gesichtszüge waren aus der Entfernung ebenso wenig zu erkennen wie die Form ihrer Gliedmaßen.
    Die Reaktion der Wartenden war jedenfalls ebenso überraschend wie unmissverständlich: Sie sanken auf die Knie – was unter anderen Umständen eher komisch gewirkt hätte – und verneigten sich so tief, dass ihre Köpfe beinahe den Boden berührten. In dieser unbequemen Haltung verharrten sie, bis ein für den Betrachter unhörbarer Befehl oder sonstiges Signal ein Ende gebot. Doch auch danach hielten sie ihre Köpfe weiter gesenkt, als fürchteten sie den Anblick des Weißgewandeten.
    Noch irritierender als diese Demutsbekundung war allerdings der Umstand, dass sich das Ganze nach wie vor vollkommen lautlos abspielte. Auch von der Bühne drangen keinerlei Geräusche herüber, sodass das Meeresrauschen im Hintergrund das einzige Indiz dafür blieb, dass die Audiowiedergabe weiterhin funktionierte.
    Dennoch schien es sich um eine Art Ansprache oder Vortrag zu handeln, die der Weißgekleidete seinem gebannt lauschenden Publikum hielt. Möglicherweise verständigten sich Redner und Zuhörerschaft in einem Frequenzbereich oberhalb des von Menschen wahrnehmbaren Spektrums. Für diese Annahme sprach auch die Bewegung, die hin und wieder durch die Reihen ging und eigentlich nur die Reaktion auf das Gehörte oder anderweitig Wahrgenommene sein konnte. Ein weiteres Mal hob der Redner seine Arme zu einer segnenden oder Trost spendenden Geste, und dieses Mal war die Wirkung auf die Zuhörer eindeutig: Wie auf Kommando erhoben sich die Chimären und richteten ihre Blicke hinauf in den wolkenverhangenen Himmel.
    Johnny hatte sich die Szene zwar schon mehrfach angesehen, dennoch spürte er, wie sich sein Pulsschlag beschleunigte. Gleich würde es passieren …
    Die Vogelwesen starrten noch immer wie Mondsüchtige nach oben, als die Wolkendecke plötzlich aufriss. Etwas stieß aus der kreisrunden Schwärze herab wie eine unsichtbare Faust, die mit der Wucht eines Dampfhammers niedersauste und die unglücklichen Geschöpfe buchstäblich zerschmetterte. Dann – nur Sekundenbruchteile

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