Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)
überhaupt eine erhielt, nur in noch größere Verwirrung stürzen würde.
Die Welt, die er kannte, existierte nicht mehr. Ihre Wände waren zerbrochen wie die Schale eines Eies, das ihn jahrzehntelang beschützt, gewärmt und ernährt hatte. Das Draußen war riesig und verwirrend, kalt und bar jeglichen Trostes. Und doch wünschte Johnny sich nicht in die Sicherheit seiner früheren Existenz zurück. Das lag nicht nur an Ailins Anwesenheit, die, wie er einräumen musste, durchaus ein Argument für sein neues Leben war, sondern vor allem an dem Bewusstsein, dass er Geheimnissen auf der Spur war, von denen gewöhnliche Sterbliche nicht einmal etwas ahnten.
John hatte noch keinerlei Vorstellung, wohin ihn die Suche führen würde, das änderte jedoch nichts an seiner Entschlossenheit, diesen Weg weiterzugehen. Das war er nicht nur seinem Freund Ray schuldig, sondern auch sich selbst.
Formal war sein Auftrag, die Vogelmenschen betreffend, allerdings mit dem heutigen Tag beendet. Selbst wenn Ailin recht hatte und sie tatsächlich in irgendeiner Form weiterexistierten, gab es keine Möglichkeit, mit ihnen in Kontakt zu treten. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie etwas über das Malik-Wesen wussten, war ohnehin nie besonders hoch gewesen. Allerdings hatte John gehofft, zumindest etwas über die Hintergründe ihrer tragisch-bizarren Geschichte zu erfahren. Aber nun hatte sich diese vage Hoffnung auch im Wortsinne zerschlagen.
Der Bericht, den er Ray schuldete, würde nach derzeitigem Stand kaum neue Erkenntnisse über das Malik-Wesen und Chimären enthalten – es sei denn, er brachte Ailin doch noch dazu, ihr Wissen mit ihm zu teilen. Sein Schweigen schien sie jedenfalls zu irritieren, wenn er ihren Gesichtsausdruck richtig deutete. Und das war – vielleicht – ein guter Anfang …
»Woran denkst du?«, fragte sie schließlich.
»An einen Freund«, erwiderte John nach einem Moment des Zögerns. »Er muss erfahren, was hier passiert ist, auch wenn es ihm vermutlich nicht weiterhelfen wird.«
»Du redest von Colonel Farr.«
Merkwürdig , dachte Johnny. Jeder nennt ihn Colonel, als hätte er nie den Dienst quittiert.
»Bist du ihm schon einmal begegnet?«, erkundigte er sich vorsichtshalber. Bei Ailin musste man auf alles gefasst sein.
»Nein, leider nicht. Doch ich weiß natürlich, wer er ist und was er für die Föderation getan hat. Für mich ist er der weiße Ritter in dieser Geschichte, der sein Glück hoffentlich nicht schon überstrapaziert hat.«
»Das glaube ich nicht. Wahrscheinlich ist die Hemera immer noch unterwegs, sonst hätte sich Ray, ich meine Mr. Farr, bestimmt gemeldet.«
»Oder auch nicht«, erwiderte die Frau skeptisch. »Aber vielleicht reagiert er ja auf deine Nachricht.«
»Die muss ich erstens noch formulieren, und zweitens hast du mir immer noch nicht verraten, was du überhaupt mit Rays Suchaktion zu schaffen hast.« John hatte nicht laut gesprochen, dennoch war der Vorwurf unüberhörbar.
»Das stimmt.« Ailin lächelte wenig schuldbewusst, wurde dann aber sofort wieder ernst: »Ich glaube, dass er etwas in Erfahrung gebracht hat, das auch für andere von Interesse sein könnte. Unter anderem für mich.«
»Und wie kommst du darauf?«
»Weil es doch gar keinen Sinn hat, eine Expedition auszurüsten, wenn man nicht weiß, wo man suchen soll. Und da dein Freund alles andere als ein Narr ist, kennt er wahrscheinlich den Ort, an dem die Nemesis mit seiner Miriam an Bord aus dem Goleaner-System verschwunden ist.«
»Und von wem sollte er den erfahren haben?«, wollte John wissen. »Die Nemesis hat ihre Position definitiv nicht durchgegeben, und eine dritte Partei dürfte kaum in der Nähe gewesen sein.«
»Was wir aber auch nicht ausschließen können«, stellte die Frau klar. »Doch genug davon. Wir müssen eine Entscheidung treffen.«
»Worüber denn?«, fragte er verwirrt. »Den Bericht muss ich so oder so abschicken, außerdem warst du ja einverstanden.«
»Davon will dich auch niemand abhalten.« Ailin zuckte mit den Schultern. »Aber da es hier nichts mehr für uns zu tun gibt, sollten wir schleunigst klären, wohin die Reise jetzt gehen soll.«
Darüber hatte sich John natürlich schon den Kopf zerbrochen, allerdings bislang ohne überzeugendes Ergebnis.
»Wir könnten dieser Zirkustruppe einen Besuch abstatten«, schlug er dennoch vor. »Die Morcelli-Leute sind die Einzigen, die uns vielleicht noch etwas über das Malik-Wesen erzählen könnten.«
»Dazu müssten wir die
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