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Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)

Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)

Titel: Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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später – kippte das Bild und fiel in sich zusammen. Die Druckwelle hatte das Stationsgebäude erreicht …
    John wartete auf einen Kommentar, irgendein Wort von Ailin, aber sie blieb stumm und reagierte auch nicht, als er sie direkt ansah.
    Offenbar war sie tief in Gedanken versunken.
    »Die letzte Szene bitte noch einmal«, sagte sie schließlich so leise und monoton, dass er Mühe hatte, sie zu verstehen.
    »Also ist es dir auch aufgefallen?« John bemühte sich, die Genugtuung über seine Entdeckung nicht allzu deutlich anklingen zu lassen. »Ich habe den Ausschnitt schon kopiert und vergrößert.«
    »Ach, ja?« Ailin musterte ihn erstaunt. »Dabei war ich mir noch nicht einmal sicher …«
    »In der Vergrößerung ist es eindeutig«, versicherte John selbstbewusst, bevor er die Sequenz startete. »Dieser Engel bleibt stehen wie angegossen.«
    Und tatsächlich zeigte die Zeitlupendarstellung, wie die unsichtbare Kraft zwar jedes einzelne Vogelwesen um Umkreis der Bühne erfasste und zu Boden schmetterte, nicht aber den »Redner« selbst, dessen hochgewachsene Gestalt aufrecht und unversehrt blieb wie eine Skulptur, die Wind und Wetter trotzte.
    »Ach, das meinst du …«, murmelte Ailin unbeeindruckt und bedachte ihn mit einem fast mitleidigem Blick. »So überraschend erscheint mir das nicht. Die Vorstellung war ja nicht für uns bestimmt.«
    »Wie meinst du das? Welche Vorstellung?« Einmal mehr kam sich Johnny wie ein Dummkopf vor, dem man die selbstverständlichsten Dinge erklären musste.
    »Ich denke, unser Freund war nicht zum ersten Mal hier, sonst hätten sich die Vögel kaum so zahlreich zu diesem Treffen eingefunden.«
    »Das würde auch die Meldung erklären, die die Stalive-Leute an die Behörden abgesetzt haben. Wahrscheinlich wurde er bei einem dieser Besuche gesehen«, stimmte John zu. »Das erklärt jedoch nicht, wieso ihm die Druckwelle nichts anhaben konnte.«
    »Weil er körperlich gar nicht hier war. Schließlich wusste er ja, was passieren würde, sonst hätte er die Vögel kaum darauf vorbereiten können.«
    Ein Avatar also , dachte Johnny ernüchtert. Darauf hätte ich eigentlich auch selbst kommen können …
    »Du meinst, die Vögel wussten, dass sie sterben würden?«, wechselte er rasch das Thema. »Warum haben sie dann nicht versucht, sich zu retten?«
    »Erlösung«, sagte die Frau ernst. »Das muss es gewesen sein, was er ihnen versprochen hat. Ein Ende aller Demütigungen. Ich fürchte allerdings, das war noch nicht alles.«
    »Was denn noch?«
    »Rache natürlich«, erwiderte Ailin mit einem freudlosen Lächeln, »die Möglichkeit, es denjenigen heimzuzahlen, die für ihr Martyrium verantwortlich waren.«
    Aber wenn sie doch tot sind … , wollte Johnny einwenden, als ihm etwas einfiel. Leere Hüllen … Genau so hatten die Kadaver ausgesehen. Deshalb hatte Ailin sie auch nicht beachtet.
    »Ich möchte den Schlussszene noch einmal sehen«, erklärte die Frau und ersparte ihm damit eine Antwort. »Aber nicht irgendwelche Ausschnitte, sondern in voller Größe. Und natürlich so langsam wie möglich.«
    »Ich könnte auf Einzelbilder gehen«, bot John an.
    »Nein, zuerst die Zeitlupe. Eigentlich müsste es da schon zu erkennen sein.«
    John zog den Marker zehn Sekunden zurück und startete dann die Zeitlupenwiedergabe. Trotz der geringen Geschwindigkeit war es ein beeindruckender Anblick, wie sich die Vogelwesen nahezu gleichzeitig erhoben und ihre Köpfe gen Himmel reckten – in Erwartung des tödlichen Schlages …
    »Stopp!«, rief Ailin, als die Wolkendecke aufriss, und Johnny reagierte so prompt, dass das Standbild nicht mehr als ein kaum fußballgroßes schwarzes Loch am Himmel zeigte. »Da ist es!«
    »Was denn? Ich sehe bis jetzt noch nichts Besonderes, außer dem Loch in den Wolken natürlich.«
    »Dann schalte bitte das Licht aus und konzentriere dich auf den unteren Bildrand.«
    Wieder war Ailin die Lehrerin und er der leicht begriffsstutzige Schüler … Aber da unten war tatsächlich etwas – ein bläulich fluoreszierender Streifen, der, wenn man seinem Verlauf folgte, die Vogelwesen wie ein leuchtender Kreis umschloss.
    »Was ist das?«
    »Der Transferkanal«, erwiderte die Frau mit einem bitteren Lächeln. »Es sieht ganz so aus, als hätten unsere geflügelten Freunde ihre Chance bekommen – und die Seelensammler Nachschub.«
    Seelensammler? Er hatte keine Ahnung, worauf Ailin anspielte, fragte aber dennoch nicht nach. Er ahnte, dass ihn die Antwort, sofern er

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