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Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)

Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)

Titel: Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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sie doch nicht einfach hier liegen lassen«, widersprach Johnny halbherzig.
    »Doch, das ist immerhin ein Tatort. Also waren wir besser niemals hier.«
    »Respekt vor der Obrigkeit?« Johnny grinste.
    »Nein, aber es könnte sein, dass jemand auf Nummer sicher gehen will. Deshalb sollten wir so schnell wie möglich von hier verschwinden.«
    »Und du weißt, wer dieser Jemand ist?«, konnte er sich nicht enthalten zu fragen.
    »Vielleicht.« Die Frau lächelte kühl und wandte sich zum Gehen.
    Johnny machte noch eine Handvoll Aufnahmen mit seiner eigenen Kamera und beeilte sich dann, ihr zu folgen. Er fühlte sich schäbig, weil sie die Toten so zurücklassen mussten, aber im Moment hatten andere Dinge Priorität …
    Es dämmerte bereits, als sie das Gebäude verließen, und die bleigraue Wolkenwand über dem Meer schob sich wie eine drohende Gewitterfront heran. Fröstelnd zog Johnny den Reißverschluss höher und beschleunigte seinen Schritt, als gelte es tatsächlich, sich vor einem Unwetter in Sicherheit zu bringen.
    Sie erreichten das Schiff ohne weiteren Aufenthalt, und obwohl keine Gefahr bestanden hatte, empfand John eine fast irrationale Erleichterung, als sich das Schott hinter ihnen schloss und ein warmer Luftstrom Feuchtigkeit und Kühle aus der Schleusenkammer trieb.
    John spürte Ailins Blick auf sich ruhen und schaute verlegen zu Boden. Auch wenn er nicht daran glaubte, dass sie tatsächlich Gedanken lesen konnte, war ihm die Szene von vorhin nach wie vor peinlich. Zweifellos hatte Ailin ihn durchschaut. Vermutlich kannte sie seine Reaktionen inzwischen besser als er selbst, und den Rest hatte sie sich einfach zusammengereimt. Vielleicht war ihre Bemerkung ja tatsächlich nur ein Schuss ins Blaue gewesen, der – wenn auch nicht unbedingt zufällig – getroffen hatte. Im Nachhinein schämte John sich seiner Unbeherrschtheit, schließlich hatte er ja gewusst, was sie draußen erwartete …
    »Mach nicht so ein Gesicht, Johnny«, sagte die Frau in diesem Moment. »Was da draußen passiert ist, hat nichts mit uns zu tun. Niemand wusste, dass die Diana hierher unterwegs war.«
    »Ich weiß«, erwiderte John um Fassung bemüht. »Aber das ändert nichts. Sie sind alle tot …«
    »Stimmt, aber wir sind noch am Leben. Und du solltest endlich aufhören, dir wegen allem und jedem Vorwürfe zu machen.«
    »Sieht man mir das so deutlich an?«
    »Na ja, es ist in etwa wie eine Schrift auf der Stirn«, erwiderte Ailin mit einem Lächeln, das seine Befürchtung, sie könne ihm etwas nachtragen, augenblicklich vertrieb. »Als Pokerspieler solltest du besser eine Maske tragen.«
    Sie lachten so albern wie Kinder, und obwohl nichts anders oder gar besser war als zuvor, fühlte sich John seltsam erleichtert.
    »Soll ich dir sagen, was dort eben noch stand?«, versuchte die Frau ihn zu provozieren. »Auf deiner Stirn, meine ich?«
    Johnny ahnte, was ihr amüsierter Gesichtsausdruck zu bedeuten hatte, und winkte ab.
    »Besser nicht.«
    »Schade, aber wir sollten bei Gelegenheit darauf zurückkommen.« Ailin grinste, wurde aber sofort wieder ernst: »Vielleicht sehe ich Gespenster, aber ich möchte, dass wir uns das Material zunächst ohne deine KI-Freunde ansehen.«
    »Du traust ihnen nicht?«
    »Nein, ich bin da wohl ein bisschen altmodisch. Bei Menschen weiß man früher oder später, woran man ist, aber bei einer künstlichen Intelligenz?«
    »Auf James konnte ich mich immer verlassen«, erwiderte John nachdenklich. »Manchmal war er zwar etwas eigenwillig, jedoch niemals illoyal.«
    »Du sagst: war?«
    »Ja, bevor du bei uns aufgetaucht bist.«
    »Ist das ein Vorwurf?« Sie lächelte, aber ihre Augen blickten ernst.
    »Nein, eine Feststellung. Ich glaube, er hat sich noch nicht wieder gefangen.«
    »Aber du vertraust ihm?«
    »Im Rahmen seiner üblichen Aufgaben schon. Er wird nichts tun, was uns schaden könnte.«
    »Aber das genügt dir nicht?«
    »Nein.« John zuckte mit den Schultern. »Allerdings muss ich mich wohl damit abfinden, dass es keine Gewissheiten mehr gibt.«
    »Die gab es nie, Johnny«, erwiderte die Frau leise und wandte sich ab. »Sag mir Bescheid, wenn du mit der Aufzeichnung so weit bist.« Dann glitt die Tür der Luftschleuse zur Seite und Ailin stolzierte davon, ohne sich noch einmal umzusehen.
      
    Als sein Compad piepste, hatte John die letzten Minuten des Videos schon ein halbes Dutzend Mal gesehen, und noch immer starrte er wie gebannt auf die Projektionsfläche. Das Geräusch riss ihn

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