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Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)

Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)

Titel: Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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nicht weinen, nicht heute Abend.«
    »Ja, ich weiß, sie haben dafür bezahlt. Endlich.« Sie lächelte freudlos. »Aber das macht die Toten auch nicht wieder lebendig.«
    »Nein, Carlotta, aber vielleicht finden sie nun Ruhe. Und wir auch.«
    »Ja, vielleicht.« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauch. »Entschuldige bitte.«
    Die beiden Gäste verabschiedeten sich schnell.
      
    »Was werden Sie jetzt machen, Colonel?«, wollte Roberta Ortega wissen, als sie gemeinsam auf das Lufttaxi warteten, das ihnen ihr Gastgeber gerufen hatte. »Den Dienst quittieren?«
    »Ich weiß es noch nicht. Was würden Sie tun, wenn Sie wüssten, dass Sie jemanden lieben, der vielleicht nicht einmal ein Mensch ist?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte die Frau nachdenklich. »Dieser mysteriöse Bootsunfall passt mir etwas zu gut ins Bild. Ich kannte Miriam natürlich nicht so gut wie Sie, aber ich habe sie gemocht. Und ich glaube, dass sie nicht annähernd so stark war, wie sie sich nach außen darstellte. Mag sein, dass das Verschwinden der Nemesis gegen sie spricht, aber für mich wird sie immer das Mädchen bleiben, das sich im Dunkeln verlaufen hat.«
    »So poetisch kenne ich Sie gar nicht, LC«, sagte Farr und räusperte sich. »Aber das ist keine Antwort auf mein Frage.«
    »Na gut, wenn Sie darauf bestehen, Colonel: Ich würde einen Psychologen aufsuchen oder mich betrinken.«
    »Oberhalb des Hafens soll es eine recht anständige Taverne geben, in der sie selbstgemachten Wein ausschenken.« Raymond Farr mochte keine Psychologen, aber das war nicht der eigentliche Grund für seinen Vorschlag. Er musste erfahren, was Ortega tatsächlich dachte …
    »Dann haben wir den gleichen Weg, Colonel.« Roberta Ortega grinste, und aus irgendeinem Grund fühlte sich Farr schon ein wenig besser.
    Sie fanden einen kleinen, ein wenig abseits gelegenen Tisch, von dem man freien Blick auf die Lichter des Hafens hatte, die sich auf der sanft gekräuselten Oberfläche des dunklen Meeres spiegelten.
    Der Wein war tatsächlich vorzüglich, trocken und fruchtig zugleich, wie man ihn nur in Weingegenden jenseits der Touristenrouten zu trinken bekam. Vermutlich waren das Lokal, die Weinberge, der Hafen und die Karten spielenden Einheimischen ja ebenfalls Teil des Leandros-Unternehmens, aber das war im Moment ohne Belang. Die Ernüchterung würde noch früh genug eintreten, und bis dahin musste Raymund Farr eine Entscheidung treffen.
    Sie schwiegen lange, und wenn sie sprachen, dann nur über Belanglosigkeiten, die die Harmonie dieses Abends nicht zu trüben vermochten. Es war eine warme Sommernacht, und Farr bestellte noch eine weitere Karaffe, obwohl er die Wirkung des Weins längst in seinen Gliedern spürte. Es bestand kein Anlass zur Eile, denn bis zu den vorsorglich gebuchten Fremdenzimmern im Obergeschoss waren es nur ein paar Treppenstufen, die er schon irgendwie meistern würde, irgendwann später …
    So blieb es der Ortega vorbehalten, den Wirt zu rufen und die Rechnung zu verlangen, während Farr mit abwesender Miene hinaus aufs Meer starrte. Als sie aufstand und ihn vorsichtig an der Schulter berührte, zuckte er erschrocken zusammen, entschuldigte sich aber sofort und erhob sich ohne nennenswerte Schwierigkeiten.
    »Gute Nacht, Colonel«, verabschiedete sie sich mit einem Lächeln. »Ich finde den Weg schon allein.«
    Sie wandte sich um und ging zur Treppe. Farr beeilte sich, ihr zu folgen.
    Vor der Tür zu ihrem Zimmer blieben sie stehen.
    »Wenn Sie möchten …«, sagte Farr verlegen.
    »Besser nicht, Colonel«, sagte die Frau leise und küsste ihn flüchtig auf die Wange. »Ich fürchte, ich bin Ihnen vorhin die Antwort schuldig geblieben.«
    »Und ich habe nicht nachgefragt«, gestand Farr. Trotz seiner Benommenheit wusste er sofort, worauf die Frau anspielte. »Vielleicht wollte ich sie nicht hören.«
    »Ich bin nicht an Ihrer Stelle, das macht es leichter.« Ihr Gesichtsausdruck sagte etwas anderes. »Aber Sie haben mich gefragt.«
    »Ja.«
    »Ich würde nach ihr suchen, Ray. So lange, bis ich sie gefunden hätte.«
    »Danke, Roberta.« Seine Stimme klang heiser. »Gute Nacht.«
    »Gute Nacht, Ray …«
      
    Sie trafen sich erst kurz vor dem Abflug wieder. Der Raumhafen von Malmari Bay bestand aus einer eingezäunten Betonfläche, einem winzigen Tower und einem barackenähnlichen Abfertigungsgebäude, in dem sich das Schalterpersonal und ein Zollbeamter langweilten. Die wartenden Passagiere, überwiegend Einheimische, hatten es

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