Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)
einer so anspruchsvollen Mission sollte man schon wissen, mit wem man es zu tun hat.« Roberta Ortega grinste.
»Das leuchtet mir ein«, gab Farr zu. »Als Mann fehlt einem da mitunter das notwendige Fingerspitzengefühl.«
Die Antwort der Frau wurde vom Triebwerksgeräusch des landenden Shuttles übertönt, das fast ungedämpft durch die dünnen Wände drang und den Boden unter ihren Füßen erzittern ließ. Wenig später wurden die Passagiere zur Abfertigung gerufen.
Malmari Bay war zu dünn besiedelt, um von N-Raumschiffen angeflogen zu werden, und vermutlich hatte die Leandros-Gruppe auch wenig Interesse an einer komfortableren Verkehrsanbindung. Der Transfer zum Raumhafen Kassandra-Center dauerte fünf Standardtage und war entsprechend teuer, was Touristen und andere ungebetene Gäste zuverlässig fernhielt. Raymond Farr dagegen war gar nicht so unglücklich über die Verzögerung. Miriams angeblicher Unfalltod bot genügend Anhaltspunkte für Nachforschungen, und auch sonst gab es einige Dinge, die er besser unterwegs als von seinem Dienstarbeitsplatz auf Tharsis Base aus erledigte. Bislang waren seine Pläne zwar noch nicht allzu weit gediehen, aber auch das Wenige ging das Militär und die einschlägigen Dienste nichts an.
Farr buchte zwei Einzelkabinen, was ihm einen spöttischen Seitenblick der Ortega eintrug. »Feigling!«, zischte sie ihm ins Ohr, offenbar so deutlich, dass die Dame am Schalter kurz innehielt, um das seltsame Paar mit einem irritierten Blick zu mustern.
Farr zuckte mit den Schultern und lächelte hilflos. Er bildete sich schon längst nicht mehr ein, Roberta verstehen zu können. Vielleicht wusste sie auch selbst nicht so genau, wo die Grenzen zwischen harmlosen Anspielungen und tatsächlichem sexuellen Interesse lagen. Wahrscheinlich verübelte sie ihm auch nur, dass er die Kabinenfrage entschieden hatte, ohne sie vorher zu fragen.
»Was sollte das denn?«, erkundigte er sich dennoch, als sie hinaus auf das Flugfeld traten. »Wolltest du keine eigene Kabine?«
»Ich sehe Männern gern beim Rasieren zu«, bemerkte sie mit einem verschlagenen Lächeln. »Man erfährt dabei eine Menge über ihren Charakter.«
»Dann kann ich dich ja morgen früh anrufen«, konterte er. »Eintritt frei.«
Sie lachte. »Das ist nicht das Gleiche.«
»Wieso nicht?«
»Wenn ich es dir erkläre, leidet mein guter Ruf.«
»Darum würde ich mir keine Sorgen machen.« Farr grinste. »Also los!«
»Okay, es geht überhaupt nicht darum, wie sich ein x-beliebiger Mann rasiert …«
»Sondern?«
»Herrgott, bist du begriffsstutzig.«
»Das ist keine Antwort.«
»Idiot! Du weißt genau, was ich meine.« Diesmal war es mehr als ein flüchtiger Hauch Rot, der ihr Gesicht überzog.
»Entschuldige«, murmelte Farr verlegen. »Aber was hätte ich sonst sagen sollen?«
»Dass du nicht interessiert bist, zum Beispiel. Oder meinst du, dass ich dir deswegen gleich die Freundschaft aufkündige?«
»Und wenn ich es selbst nicht weiß?«
»Dann lassen wir es einfach dabei, bis der Leidensdruck groß genug ist.« Sie versetzte ihm einen Rippenstoß, dass er gar nicht anders konnte, als in ihr Gelächter einzustimmen. »Madre mia, seid ihr Männer kompliziert.«
Farr hütete sich, ihr zu widersprechen.
Wenig später erreichten sie die Gangway, deren Rolltreppe sich klappernd in Bewegung setzte, als sie die Lichtschranke passierten. Seltsam erleichtert sog Raymond Farr den vertrauten Geruch erhitzten Metalls ein, der von den Triebwerken aufstieg. Aus irgendeinem Grund misstraute er plötzlich der Harmonie der Landschaft, in der das Flugfeld mit seinen Anlagen wie ein Fremdkörper wirkte.
Es ist nicht wirklich, dachte er mit plötzlich aufsteigendem Groll, während er seinen Blick ein letztes Mal über die sanft geschwungenen Hänge schweifen ließ, deren üppiges Grün in atemberaubendem Kontrast zur tiefblauen Oberfläche des Meeres stand, auf der winzige weiße Schaumkronen tanzten. Vielleicht war dieses Paradies tatsächlich aus einer sentimentalen Laune heraus erschaffen worden, das Refugium eines todkranken Mannes – ein letzter Traum von Vollkommenheit. Vielleicht …
»Stimmt etwas nicht?«, erkundigte sich seine Begleiterin mit gerunzelter Stirn. »Du siehst ziemlich mitgenommen aus.«
»Du hast recht«, erwiderte er mehr zu sich selbst. »Etwas stimmt nicht, aber ich habe keine Ahnung, was.«
»Ich bin sicher, du wirst es herausfinden. Aber vorher sollten wir wenigstens unsere Kabinen beziehen. Ich
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