Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)
dunklen Kostüm balancierte ein Tablett mit dem Begrüßungscocktail.
»Der Service stimmt schon mal«, murmelte Johnny, ohne den Blick von der jungen Frau abzuwenden, die auf ihren High-Heels zu schweben schien.
»Ein Modell der neuen DBT -Serie ›Eileen‹«, bemerkte der Pilot mit anzüglichem Lächeln. »Sie sollten das Angebot besser ausschlagen.«
»Welches Angebot, den Drink? Wovon reden sie überhaupt?«
»Dass Sie jetzt noch eine Wahl haben, Sir. Die junge Dame mit dem Cocktail ist keine Dame, sondern eine Dienstleisterin. Dreams become true -Modelle wie Eileen sorgen dafür, dass die Gäste ihre Zimmer allenfalls zu den Mahlzeiten verlassen, dafür aber jede Menge Lastschriften in Auftrag geben.«
»Sie halten mich offensichtlich für einen Narren«, versetzte Johnny abweisend.
»Nein, Sir, aber für einen Mann. Und Männer schätzen es nun einmal, wenn man ihnen die Wünsche von den Augen abliest. Ich meine, alle Wünsche, auch solche, die sie niemals laut aussprechen würden.«
»Und wie soll das funktionieren?«
»Keine Ahnung, wie diese Klonmädchen das anstellen. Man munkelt von ESP -Implantaten, medialen Fähigkeiten oder hypnotischer Beeinflussung. Tatsache ist, dass es funktioniert, sonst würden die Leute nicht wiederkommen. Das ›Excelsior‹ hat eine Repeater-Quote von über 80 %.«
»Sagten Sie vorhin nicht etwas von ›seriös‹?«
»Selbstverständlich, Sir. In diesem Hotel werden Sie weder beraubt noch betrogen. Man verabreicht Ihnen keine Drogen, und Sie müssen auch nicht damit rechnen, sich mit irgendwelchen exotischen Krankheiten zu infizieren. Die Zimmer sind schallisoliert und nicht einmal videoüberwacht. Die Diskretion des Personals ist mustergültig, und die angebotenen Dienstleistungen sind erstklassig. Haben Sie sich nicht darüber gewundert, dass kaum Gäste im Park oder Richtung Strand unterwegs sind?«
»Nein, vermutlich ist das Hotel nicht voll belegt.«
»Das würde mich wundern, Sir, aber ich möchte Sie nicht weiter aufhalten. Ihr Cocktail wartet.«
Das stimmte. Das Empfangskomitee stand inzwischen bereit, und der Luftstrom der Turbine des Gleiters war so heftig, dass die junge Frau den Saum ihres Rockes festhalten musste. Die züchtige Geste rührte Johnny aus unerfindlichen Gründen. Ein Vamp sah jedenfalls anders aus …
»Dann bis zum Rückflug«, verabschiedete er sich und griff nach seiner Reisetasche.
»Oder falls Sie es einmal besonders eilig haben, Sir.« Der junge Pilot grinste.
»Dafür habe ich ja Ihre Nummer«, erwiderte Johnny und wandte sich zum Ausstieg.
»Angenehmen Aufenthalt!«
Darauf würde ich nicht wetten, dachte John Varley, winkte aber noch einmal zurück, bevor er auf das Empfangskomitee zuschritt.
»Herzlich willkommen, Sir«, sagte der uniformierte Hoteldiener und verbeugte sich, bevor er Johnnys Reisetasche und Videoausrüstung auf seinem Wagen verstaute.
»Wir freuen uns, Sie als unseren Gast mit einer kleinen Erfrischung begrüßen zu dürfen«, setzte seine Begleiterin mit einem betörenden Lächeln hinzu und reichte Johnny den Cocktail, dessen Inhalt in vier verschiedenen Farben leuchtete. Die oberste blutrote harmonierte exakt mit der Farbe ihrer Lippen.
So weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarz wie Ebenholz, dachte John Varley melancholisch. Nur bin ich leider kein Königssohn, sondern ein alternder Schnüffler. Und du siehst zwar aus wie Schneewittchen …
Über das »aber« wollte er nicht nachdenken, lieber trank er das bunte Zeug, das jedoch weniger süß schmeckte, als er befürchtet hatte.
Nach der Begrüßung ließ sich Johnny von der Empfangsdame zum Gästeaufzug geleiten; der Hoteldiener folgte in angemessenem Abstand mit dem Gepäck.
Im Inneren des Gebäudes war es angenehm kühl. John atmete tief durch und spürte, wie sich seine Anspannung allmählich löste. Die Reise hatte ihn ermüdet, aber vor Schneewittchen würde er sich nicht die Blöße geben, sich seine Erschöpfung anmerken zu lassen.
Dennoch erschrak er, als sich die Lifttür öffnete und er sich seinem Spiegelbild gegenübersah. Trotz des indirekten Lichtes, das kaum Schatten warf, waren die Ringe um seine Augen und die Falten an den Mundwinkeln überdeutlich zu erkennen. Vielleicht war es aber auch der Kontrast zu der in jeglicher Hinsicht perfekten Erscheinung seiner Begleiterin, die sein Gesicht so alt und verbraucht erscheinen ließ.
Als sich der Fahrstuhl in Bewegung setzte, nahm Johnny einen zarten Duft wahr – ein
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