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Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)

Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)

Titel: Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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Lächeln. »Für einen Moment sahen Sie vorhin aus wie ein kleiner Junge, dem man sein Lieblingsspielzeug weggenommen hat.«
    Sie genießt das, dachte Johnny, während ihm die Hitze ins Gesicht schoss. Und ich bin ein Idiot …
    »Ich wollte Sie ein wenig provozieren«, gab die junge Frau zu. »Das mag Ihnen merkwürdig erscheinen, aber die Reaktionen insbesondere unserer neuen Gäste sind mitunter äußerst erhellend.«
    »Ich verstehe nicht ganz.«
    »Also gut, reden wir Klartext, Mr. … Norton. «
    Wieder ein abschätzender Blick, als wartete sie auf eine bestimmte Reaktion.
    Das kann sie nicht wissen, dachte Johnny erschrocken, bis ihm klar wurde, dass er einem Bluff aufgesessen war. Ein Hotel hatte gar nicht die technischen Möglichkeiten, Identitäten zu überprüfen.
    »Wie ich schon sagte, bin ich für die Sicherheit der Gäste und natürlich auch unserer Angestellten verantwortlich. Sie wissen, dass das ›Excelsior‹ seinen Gästen absolute Diskretion garantiert, von schallgedämmten Wänden bis zum vertraglich festgeschriebenen Verzicht auf jede Art von Überwachungstechnik. Werbung dieser Art zieht jedoch nicht nur übervorsichtige Gäste oder Prominente an, sondern auch Leute, die die ihnen gewährte Diskretion für einen Freibrief halten, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    Johnny nickte höflich und dachte weiter über mögliche undichte Stellen nach.
    »Aus genau diesem Grund sind wir gezwungen, uns im Vorfeld etwas ausführlicher mit unseren Gästen zu befassen, als es die Behörden hier gemeinhin tun …«
    »Danke, aber ich bin nicht begriffsstutzig, Mrs. Ramakian«, unterbrach John ihren Vortrag. »Was bitte werfen Sie mir konkret vor?«
    Die ungeduldig wippende Fußspitze seiner Gesprächspartnerin erstarrte einen Augenblick lang in der Bewegung. Offenbar hatte er einen Treffer gelandet.
    »Wenn Sie darauf bestehen, Mr. Norton, dann versichere ich Ihnen hiermit ausdrücklich, dass offiziell gegen Sie keinerlei Verdachtsmomente vorliegen«, erwiderte die Frau kühl. »Ich habe Sie aus rein privaten Gründen um diese Unterredung gebeten.«
    »Das habe ich etwas anders in Erinnerung, Mrs. Ramakian. Wollten Sie mich nicht eben noch in Ihr Büro vorladen lassen?«
    »Nein, Sie sollten nur glauben, dass ich das vorhabe. Wenn Sie Wert darauf legen, entschuldige ich mich auch dafür.«
    »Schon gut.« Johnny lächelte, als sich ihre Blicke begegneten. Aus der Insekten-Betrachterin war wieder eine Frau geworden. »Weshalb wollten Sie mich sprechen?«
    »Hauptsächlich aus zwei Gründen.« Die Frau gab ihre herausfordernde Haltung auf und zog den Rocksaum ein paar Millimeter nach unten. Mit ihrem straff zurückgekämmten Haar und dem dunklen Kostüm ähnelte sie jetzt eher einer Justizangestellten. Einzig das sehr dunkle Rot ihrer Lippen strafte den Eindruck Lügen.
    »Die da wären?«
    »Ich glaube erstens, dass Sie Ihre Identität verschleiern, Mr. Norton, und ich befürchte zweitens, dass Sie sich und andere in Gefahr bringen.« Wieder wartete sie auf seine Reaktion, bevor sie fortfuhr: »Aber das ist nur ein Verdacht, nicht mehr, sonst hätte ich Sie auffordern müssen, das Hotel zu verlassen. Folglich kann ich Sie nur bitten, vorsichtig zu sein. Das hier ist nicht die Welt, die Sie kennen.«
    Also tatsächlich nur ein Schuss ins Blaue, dachte John erleichtert, aber eine Spur Verunsicherung blieb. Wenn seine Dokumente in Ordnung waren, wieso hatte Schneewittchen dann überhaupt Verdacht geschöpft?
    »Danke für Ihre Offenheit, Mrs. Ramakian«, sagte er laut. »Aber was erwarten Sie jetzt von mir? Dass ich meinen Aufenthalt abbreche und zurückfliege? Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst.«
    »Natürlich nicht, Mr. Norton oder wie auch immer Sie heißen mögen«, sagte die Frau und stand auf. »Sie können tun und lassen, was immer Sie wollen. Aber wenn schon eine kleine subalterne Hotelangestellte wie ich einen gewissen Verdacht hegt, dann tun es andere möglicherweise auch. Daran sollten Sie immer denken.«
    Sie hatte recht, das wurde Johnny augenblicklich klar, aber wie sollte er darauf reagieren? Er musste allein sein, um in Ruhe nachdenken zu können.
    »Sie sind keine ›kleine Hotelangestellte‹, Mrs. Ramakian«, sagte er und erhob sich nun ebenfalls, »sondern eine kluge und äußerst attraktive Frau.« Überrascht registrierte er den flüchtigen Hauch Rot, der sekundenlang ihre Wangen färbte. »Aber das wissen Sie natürlich«, fügte er mit einem – wie er hoffte – abgeklärten Lächeln

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