Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)
Blütenaroma vielleicht oder der Hauch eines exotischen Parfüms. Falls es ihre Haut war, die so roch, dann hatte die junge Frau eine kluge Wahl getroffen, denn der Duft war weder süß noch aufdringlich, prägte sich aber dennoch ein und harmonierte mit dem Gioconda-Lächeln, das um ihre Lippen spielte. Es konnte alles Mögliche bedeuten, so wie der Blütenduft auch aus der Lüftungsanlage stammen konnte. Nur glaubte Johnny nicht daran. Es war Teil eines Spieles, dessen besonderer Reiz in der Subtilität des Angebots bestand.
»Sie haben doch nichts dagegen, Mr. Norton, dass ich Sie zu Ihrem Zimmer begleite?«, erkundigte sich Schneewittchen wie beiläufig, als sie den Fahrstuhl verließen. »Die Beschilderung ist leider ein wenig missverständlich.«
Angesichts zweier goldfarbener, gut lesbarer Schilder mit den Aufschriften »201–215« und »216–230« in der jeweiligen Pfeilrichtung erschien diese Aussage zwar nicht unbedingt plausibel, dennoch wäre es ausgesprochen unhöflich gewesen, das Angebot abzulehnen.
»Im Gegenteil«, beeilte sich Johnny zu versichern. »Ich bitte darum.«
Schneewittchen bedankte sich mit einem Lächeln und einem zuvorkommenden »Wenn Sie mir bitte folgen wollen?«, das weniger eine Frage war als die Ankündigung eines Schauspiels.
Obwohl Johnny todmüde und außerdem vorgewarnt war, vermochte er seinen Blick nicht von dem Dargebotenen abzuwenden. Angesichts des knapp unterhalb des Schrittes wippenden Rocksaumes gestatte er sich sogar für einen Moment die Vorstellung einer noch etwas freizügigeren Pose. Dass nichts dergleichen geschah, obwohl seine Imagination ziemlich deutlich gewesen war, verwies die Behauptungen des Piloten dorthin, wo John sie schon vorher eingeordnet hatte: ins Reich der Legende. Paradoxerweise war er dennoch enttäuscht.
»Ihr Zimmer, Sir!«
Die Dunkelhaarige stand bereits in der Tür, sodass sich ihre Körper für einen Moment berührten, als sich Johnny an ihr vorbei ins Zimmer schob. Diesmal war der Duft stärker als vorhin im Fahrstuhl und verstärkte den Reiz der flüchtigen Berührung. Als die Frau wie aus Versehen die Tür ins Schloss fallen ließ und lächelnd einen Schritt auf ihn zutrat, hatte Johnny die Warnung des Piloten schon fast verdrängt. Ihm war klar, dass er im Begriff stand, sich zum Narren zu machen – vermutlich war sein Lächeln in diesem Moment schon einfältig genug –, aber das würde er in Kauf nehmen, wenn …
»Entschuldigen Sie die kleine Scharade, Mr. Norton, aber ich glaube, wir haben etwas zu besprechen.« Das laszive Lächeln der Frau erlosch wie das Licht einer Kerze, und ihre Stimme klang mit einem Mal kühl und beherrscht.
Ihr Blick, der Johnny eben noch sanft und einladend erschienen war, ähnelte jetzt dem einer Biologin, die ein hässliches, aber doch irgendwie faszinierendes Insekt unter der Lupe betrachtete. Eine kalte Dusche hätte nicht ernüchternder sein können. Noch bevor John sich von seiner Überraschung erholt hatte, fuhr die Frau fort: »Ich heiße Ailin Ramakian und bin hier im Haus für Sicherheitsfragen zuständig. Selbstverständlich kann ich mich ausweisen.«
Sie reichte Johnny ein eingeschweißtes Kärtchen, das eine P3D-Porträtaufnahme und die Holosiegel diverser örtlicher Behörden zeigte.
»Interessant«, murmelte John und deutete mit einer halbherzigen Geste auf einen der brokatbezogenen Sessel der Sitzgarnitur. »Wenn Sie Platz nehmen möchten …?«
Mit einem angedeuteten Lächeln nahm die Frau seine Einladung an. Ihre Bewegungen und die Art, in der sie die Beine übereinanderschlug, waren immer noch sehenswert, aber Johnny ignorierte den Anblick. Seine Erektion hatte sich ebenso rasch verflüchtigt, wie sie zustande gekommen war.
»Gehören solche Auftritte zum Standardprogramm«, versuchte er seine Verunsicherung zu überspielen, »oder führt Sie ein besonderes Interesse zu mir?«
»Letzteres, Mr. Norton, und entschuldigt hatte ich mich bereits. Ich hätte Sie natürlich auch in mein Büro vorladen können, aber das hätte nur unerwünschte Aufmerksamkeit erzeugt und Ihnen die Unbefangenheit genommen.«
»Nett, dass Sie sich um meine emotionale Verfassung sorgen, Mrs. Ramakian.« Der aufgesetzte Sarkasmus half ihm, die Befürchtungen zu verdrängen, die wie aufgescheuchte Bienen durch sein Bewusstsein schwirrten. »Was kann ich also für Sie tun?«
»In jedem Fall nicht das, was Ihnen bis eben noch vorschwebte, Mr. Norton«, erwiderte die Frau mit einem amüsierten
Weitere Kostenlose Bücher