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Götterdämmerung (German Edition)

Götterdämmerung (German Edition)

Titel: Götterdämmerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Schwarzer
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unterwegs!“, rief Linda. Sie wechselte noch ein paar Worte mit dem unsichtbaren Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung. Ihr Blick wurde nachdenklich.
    Inzwischen waren auch Nikolai und Marcel erschienen. Tom kehrte zu den anderen zurück.
    „Verstanden“, murmelte Linda. Ihre Kiefer mahlten.
    „Was ist?“, wollte Tom wissen. Linda zögerte. Ihre Augen fixierten den EMP-Granatwerfer. „Was?“
    „Die sagen, dass es zehn waren, die heute Dienst hatten“, berichtete Linda. „Vier Menschen und sechs Roboter.“
    Tom starrte sie an und richtete seinen Blick dann auf den Roboter, der wie eingefroren mitten im Weg stand.
    „Sechs sagst du?“
    „Ja.“
    „Ich habe nur vier gesehen.“
    „Plus 501.“
    „Ja. Aber da fehlt noch einer.“
    Tom ging auf den bewegungslosen Roboter zu und suchte die Seriennummer auf seiner Brust: RT 5908. Er ballte die Hand zur Faust.
    „Das ist der Falsche!“, stellte er fest. „Verflucht noch mal!“
    „So kann man das nicht sagen“, versuchte Linda zu beschwichtigen. „Der hat auch verrückt gespielt.“
    Tom musterte sie missbilligend und versuchte, sich zu fassen. Seine Hand lag wieder am Abzug der EMP-Waffe.
    „Okay“, meinte er schließlich. „Das bedeutet, 501 muss noch irgendwo da draußen sein. Wie es aussieht, haben wir ein echtes Problem.“
    „Was wir machen?“, wollte Nikolai wissen.
    Tom legte die Stirn in Falten. „Erst mal lassen wir das Gelände abriegeln. Dann suchen wir 501.“ Die anderen nickten.
     
    •
     
    Eva Drechsler stand auf der Terrasse ihres kleinen Reiheneckhäuschens und drückte ihre Zigarette aus, als ihr der Mann an ihrem Gartenzaun auffiel.
    Der kühle Herbstwind blies durch die Ärmel ihres dünnen Pullovers und sie sagte sich wieder einmal, dass sie endlich aufhören sollte zu rauchen. Sie hatte nach dem Tod ihres Mannes damit angefangen, weil sie die Leere in sich damals nicht ertragen konnte und etwas brauchte, woran sie sich zumindest zeitweilig festhalten konnte. Nachdenklich starrte sie auf den schlichten schmalen Goldring, den sie immer noch trug.
    Der Todestag ihres Mannes lag nun zwölf Jahre zurück. Jedes Jahr, wenn der Herbst begann und die Tage ungemütlich wurden, nahm Eva sich vor, die Raucherei aufzugeben und verschob diesen Vorsatz von einer Woche zur nächsten, bis der Frühling kam und sie die Zwangspause auf ihrer Terrasse wieder genoss.
    Wenigstens wurde der Nieselregen von dem Sonnenschirm abgehalten, der selbst im tiefsten Winter aufgespannt blieb. Wegen des Schirms hatte sie auch den Mann nicht sofort bemerkt.
    Auf den ersten Blick war nichts Ungewöhnliches an ihm. Er trug Jeans, einen dünnen Mantel und eine unauffällige Frisur. Zuerst dachte Eva, dass er nur ihren Garten bewunderte. Das kam oft vor. Viele Leute blieben an ihrem Zaun stehen und bewunderten die lumineszierenden Pflanzenarrangements und die Lichtskulpturen, die je nach Tageszeit Farbe und Form veränderten, aber die Zeitspanne, die Leute üblicherweise an ihrem Zaun stehen blieben, war längst vorbei. Und der Mann sah nicht in den Garten. Er hielt den Kopf geradeaus gerichtet und bewegte sich nicht. Er sah zu ihr.
    Eva schaltete das Licht ihrer Außenlaterne aus. Der Mann blieb stehen und starrte sie weiterhin an.
    „Ist was?“, brummte Eva missbilligend, aber so leise, dass nur sie es hören konnte. Sie hielt es für keine gute Idee, die Person am Zaun in irgendeiner Weise zu reizen. Besser sie verschwand im Haus, damit der Fremde das Interesse verlor.
    Sie tappte ins Wohnzimmer und schloss sorgfältig die Terrassentür. Dann überprüfte sie die Haustür und sämtliche Fenster und zog die Vorhänge zu. Sie überlegte, ob sie die Jalousien schließen sollte, aber dann würde sie nicht mehr mitbekommen, wann der Fremde verschwand. Außerdem war sie ja nicht allein im Haus. Daniel, ihr Sohn, saß oben in seinem Zimmer und büffelte für eine Klausur.
    Einen Moment lang stand Eva unschlüssig auf der untersten Treppenstufe und überlegte. Sollte sie Daniel von dem Mann erzählen? Aber wozu? Was sollte ihr Sohn schon tun? Außerdem musste er lernen, da konnte er keine Ablenkung gebrauchen.
    Sie machte kehrt, lief in die Küche und holte sich eine Mousse au Chocolat und ein Glas Rotwein. Sie war immer ein Genussmensch gewesen, früher noch mehr als heute. Glücklicherweise sah man ihr die Vorliebe für gutes Essen kaum an, im Gegensatz zu den Spuren der Vergangenheit, die sich tief in ihre Haut gegraben hatten. Selbst wenn sie

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