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Götterdämmerung (German Edition)

Götterdämmerung (German Edition)

Titel: Götterdämmerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Schwarzer
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käme!
    Die Eingangstür klappte. Im ersten Moment wollte Ben in den Flur laufen und die Sanitäter holen, dann fiel ihm ein, dass niemand geklingelt hatte und kein Martinshorn zu hören gewesen war. Dafür hörte er Stimmen, die ihm bekannt vorkamen.
    Er erschrak. So schnell er konnte, lief er in das angrenzende Gästezimmer und verließ das Haus durch das Fenster.
     

Zwei
     
     
    29. Oktober 2045
     
    Zögernd stand Eva vor der Zimmertür ihres Sohnes. Es war früh am Morgen und noch dunkel. Sie wollte Daniel eigentlich nicht wecken, aber jetzt hielt sie es nicht mehr aus. Sie hatte die ganze Nacht die Gestalt an ihrem Gartenzaun beobachtet und kein Auge zugetan. Eine Zeitlang hatte Eva sich sogar eingeredet, sie sei paranoid, aber dieser Mann war immer noch da und starrte zu ihrem Fenster herüber. Er war lediglich einige Meter weiter gegangen. Eigentlich könnte sie jetzt eine Zigarette gebrauchen – oder besser noch eine ganze Packung, aber sie wollte nicht im Haus rauchen und nach draußen wagte sie sich nicht. Eva unterdrückte ein Gähnen und streckte die Hand aus. Dann drückte sie die Türklinke herunter.
    Daniel schlief. Die Nachttischlampe brannte. Die Bettdecke hatte er bis über das Kinn gezogen, die nackten Füße reichten bis über den Rand des Bettes und hingen in der Luft.
    „Daniel!“, rief Eva und setzte sich auf die Bettkante. Ihr Sohn drehte sich auf die andere Seite, setzte sich dann aber ruckartig auf und sah sie mit aufgerissenen Augen an.
    „Was ist los?“
    „Da draußen steht ein Mann“, murmelte Eva. „Der starrt schon die ganze Nacht zu uns rüber.“ Sie bewegte nervös den Kopf in Richtung Tür.
    Daniel stöhnte und erhob sich schwerfällig aus seinem Bett. „Deswegen weckst du mich?“, brummte er und gähnte demonstrativ, schlurfte dann aber hinter Eva her die Treppe hinunter ins Wohnzimmer. Gemeinsam traten sie ans Fenster und schauten hinaus.
    „Er ist immer noch da“, flüsterte Eva. Jetzt, da langsam die Morgendämmerung anbrach, konnte sie die Gestalt etwas besser erkennen. Sie war beinahe erleichtert, dass der Mann in der Zwischenzeit nicht weggegangen war, weil Daniel ihn nun ebenfalls sehen konnte.
    „Meine Güte“, murmelte Daniel. „Der ist eindeutig verrückt. Die ganze Nacht steht er schon da?“
    Eva nickte. „Was machen wir jetzt? Sollen wir die Polizei rufen?“
    Daniel winkte ab. „Wozu? Er hat uns nichts getan. Es ist nicht verboten, am Zaun zu stehen. Vielleicht sollten wir ihn wegjagen.“
    Eva zuckte zusammen. „Lieber nicht. Vielleicht ist er gefährlich.“ Sie trat vom Fenster zurück.
    „Möglicherweise ist er aus einer Anstalt entlaufen!“
    Eva überlegte. Die nächste psychiatrische Klinik befand sich zehn Kilometer entfernt in einem Dorf, aber möglich war es schon.
    „Ich werde dort besser mal anrufen“, meinte sie und sah auf die Zeitanzeige ihres digitalen Bilderrahmens, dem einzigen Familienfoto im gesamten Haus, das sie aufgestellt hatte. Es zeigte Daniel, an Deck einer kleinen Motoryacht – ihrer Motoryacht.
    „In zwei Stunden muss ich zur Arbeit“ sagte sie bedrückt.
    „Wenn du möchtest, begleite ich dich“, bot Daniel an. „Meine Vorlesung beginnt erst später.“
    Eva nickte dankbar. Fürs Erste war das die beste Lösung. Sie wollte nicht überreagieren. Und bis sie von der Arbeit kam, war der Unbekannte bestimmt verschwunden.
     
    •
     
    Nachdem Tom die Lagerhalle der Polizei übergeben hatte, verabschiedete er sich knapp von seinen Mitarbeitern und sorgte dafür, dass sie zur Zentrale gefahren wurden. Erschöpft ging er an Rettungswagen und Einsatzfahrzeugen vorbei zu seinem Van. Er glaubte, jeden einzelnen Knochen seines Körpers zu spüren. Sein Gang war schleppend und unsicher. Tom fühlte sich, als hätte Frankenstein persönlich Hand an ihn gelegt und zwar an einem seiner schlechteren Tage. Der EMP-Granatwerfer drückte schwer auf seiner Schulter, außerdem hatte er Hunger und Durst. Sein Verstand allerdings war immer noch hellwach, aufgeputscht von den Ereignissen der letzten Stunden.
    Er öffnete die Fahrertür und ließ sich auf den Sitz fallen. Der Einsatz war noch nicht vorbei, nicht für ihn. Er konnte jetzt nicht einfach nach Hause gehen.
    Tom überlegte, wo er mit seiner Suche beginnen sollte. Im Südosten des Geländes hatten sie ein Loch im Zaun gefunden, an einer entlegenen Stelle, die vom Lagerhaus aus nicht zu erkennen gewesen war. Dann hatte er erfahren, dass der RT in der Stadt in einer

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