Götterdämmerung (German Edition)
aber nach längerem Für und Wider die Erlaubnis, ein paar Nachforschungen anzustellen.
So einfach mache ich es euch nicht , Leute , dachte Tom. Es blieb seine Aufgabe, den RT auszuschalten, auch wenn FUOP-TECH meinte, selbst mit dem Roboter fertig zu werden. Wahrscheinlich würden sie das auch. Eine Firma wie diese musste schließlich mit ihren eigenen Produkten klarkommen. Trotzdem ließ er sich nicht einfach so abspeisen. Wenn die keine Fremden ins Haus lassen wollten, bitte schön, aber die Maschine musste beschlagnahmt und untersucht werden. Dafür zumindest würde er sorgen. Er überlegte, ob er FUOP-TECH über sein Kommen informieren sollte und beschloss, es nicht zu tun. Dann beschleunigte er und bog auf die Autobahn ab. In fünfzehn Minuten würde er vor Ort sein.
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Simon zwang sich, ruhig zu bleiben, nachdem er die Intensivstation verlassen hatte. Er zwang sich, sich nicht umzudrehen und die Finger stillzuhalten, die in den Taschen seines Kittels nervös zuckten. Als er in den Durchgang zu den anderen Stationen kam, riss er in einem unbeobachteten Moment das falsche Namensschild ab. Dann beschleunigte er seinen Schritt. Wahrscheinlich würde der Junge erst am Nachmittag wieder in der Klinik auftauchen, aber man konnte ja nicht wissen. Er durfte ihn auf keinen Fall verpassen. Nachdem Vera Maiwald tot war, hätte der Junge wohl keinen Grund, noch einmal in die Klinik zu kommen.
Der Pfleger lief zu seinem Spind und zog sich seine Alltagskleidung an, Jeans und ein langes weißes T-Shirt. Dann kaufte er sich in der Cafeteria eine Cola und ein Croissant mit Käse und Schinken und nahm auf einem der grauen Kunststoffstühle im Warteraum gegenüber dem Empfangsbereich Platz. Dieser Bereich war durch Glasscheiben von der übrigen Halle abgegrenzt. Simon setzte sich so, dass er die Halle komplett überblicken konnte, selbst aber nicht auffiel. Der Warteraum war nun zu gut drei Vierteln besetzt. Niemand nahm Notiz von ihm.
Er kippte sich die Cola in den Mund, registrierte dass sie eiskalt war und biss gierig von seinem Croissant ab. Er hatte seit Mitternacht nichts gegessen außer einer Handvoll Chips. Das Croissant machte seine Finger fettig und Simon ärgerte sich, dass er keine Serviette mitgenommen hatte, aber nun wollte er den Platz nicht mehr verlassen. Er sah auf seine Armbanduhr. Zehn nach Zehn – es konnte Stunden dauern, bis der Junge wieder hier auftauchte! Um sich abzulenken, nahm er sein E- Panel, lud die neueste Ausgabe einer Motorsportzeitschrift darauf und überflog unkonzentriert die Texte. Er sehnte sich danach, für ein paar Minuten die Augen schließen zu können. Die Klimaanlage summte leise ein Schlaflied, das alle paar Minuten vom Klappen einer Tür oder einer Lautsprecherdurchsage gestört wurde. Simon sah nach oben, vertiefte sich in das strahlende Weiß der Decke und schloss wehmütig die Augen.
Nur zehn Minuten Kurzschlaf , dachte er. Das würde schon genügen. Er sah Yasmin vor sich, die neben ihm in einer mintgrünen Kutsche saß und bei jeder Runde, die das Karussell fuhr, strahlend ihrer Mutter zuwinkte. Wie lange war das schon her? Damals war Yasmin drei gewesen. Nun besuchte sie die vierte Klasse einer Schule, die Simon bisher lediglich von Fotos und ihren knappen Erzählungen kannte. Seine Tochter war ihm fremd geworden und das lag nicht daran, dass er sie so selten sah. Es lag daran, dass er sich verändert hatte in den letzten Jahren.
Er lebte jetzt in einer Welt voller Hass und Gewalt. Gewalt, die von ihm ausging. Er hatte seine überholte Moral längst verloren. Nein, eigentlich hatte er sie nicht verloren, sondern eingetauscht gegen eine andere Moral, die höhere Ziele verfolgte.
Zu töten ist nur auf den ersten Blick Unrecht , dachte er. Wenn man es um einer höheren Sache willen tut, ändert sich alles.
Aus Unrecht konnte Recht werden. Und welches Ziel konnte es geben, das größer war als das, die Welt zu retten? Wenn er dazu beitragen konnte und sei es nur als Randfigur, dann würde er es tun.
Wieder dachte er an das Karussell, sah wie sich die Welt um ihn herum im Kreis drehte und flüsterte seiner Tochter in Gedanken zu, dass sie in einer besseren Welt leben sollte.
Simon schrak hoch und riss die Augen auf. Der Wartesaal war wieder leerer geworden. Er blickte zum Aufnahmeschalter, hinter dem jetzt nicht mehr Patricia, sondern eine ältere Frau saß, sah, dass mehrere Personen davor standen und runzelte die Stirn. Sein Herz pochte hektisch. Die Uhr
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