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Götterdämmerung (German Edition)

Götterdämmerung (German Edition)

Titel: Götterdämmerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Schwarzer
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Digitaluhren. Im Wohnzimmer stand ein großer Globus mit dazugehöriger Weltzeituhr. Nicht zu vergessen die zahlreichen Zeitanzeigen an Computern und Playern. Und dann war da noch die Sanduhr auf der Wanne, nach der sein Vater exakt sein Bad ausrichtete, sodass er pünktlich bevor die letzten Körner das obere Glas verließen, fertig war. Jeden Abend lief er durch die Wohnung, Zimmer für Zimmer und kontrollierte, ob die Zeitanzeige stimmte. Dabei hatten die meisten Uhren eine Lebensdauer von dreißig Jahren und mussten nie nachgestellt werden.
    Wenn er könnte, würde er sich selbst eine Uhr einpflanzen , dachte der Junge am Tisch und unterdrückte ein Grinsen.
    Stolz betrachtete er sein Heft und setzte einen dicken Punkt ans Ende der Linie, als die Hand auf ihn zugeschossen kam. Einen erschreckenden Augenblick lang glaubte er, dass sie direkt in seinem Gesicht landen würde und drehte sich instinktiv zur Seite. Aber die Hand glitt an ihm vorbei und griff sein Schreibheft. Sie riss die Seite heraus und zerknüllte sie zu einem traurigen Papierball. Das Heft schleuderte sie auf den Tisch zurück.
    Alexander sah seinen Füllfederhalter wegrollen, konnte sich jedoch vor Schreck nicht rühren, sodass das Schreibgerät neben dem zerknüllten Papier auf dem Boden landete. Dann erst drang die Stimme wirklich in sein Bewusstsein. Sie klang hart und unnachgiebig.
    „Mach das noch mal!“, befahl sein Vater. „Und dieses Mal ordentlich!“
    Alexander spürte, wie Tränen in ihm aufstiegen und biss sich auf die Wange, um sie zu unterdrücken. Ich darf nicht weinen , befahl er sich. Das macht ihn wütend.
    Aber er hatte sich so darauf gefreut, endlich von diesem Tisch wegzukommen. Er wollte eine Piratenstadt bauen, mit großem Hafen und einem geheimen Schatz – das konnte er nun vergessen.
    Gehorsam nickte er, hob Papierball und Federhalter auf und setzte seine Arbeit mit verkrampften Fingern fort …
     
    RT 501 drehte sich um. Die Erinnerung war verschwunden. Er befand sich wieder am Stadtrand. In der Gegenwart. Im Jahr 2045. Er wollte zu FUOP-TECH. Er war ein Roboter. Er musste sich nicht im Spiegel ansehen, um das zu wissen.
    Trotzdem trat er an eines der parkenden Autos heran, blickte in die verspiegelte Scheibe und vergewisserte sich. Ein Roboter, wie immer. Was hatten die Erinnerungen eines Menschen in ihm zu suchen?
    Noch immer spürte er die Enttäuschung des kleinen Jungen. Seine Traurigkeit. Und seine Wut. Traurigkeit, Wut und Resignation und den Wunsch, seinem Vater und der ganzen Welt zu beweisen, dass er ein Recht darauf hatte, geschätzt und geachtet zu werden. Obwohl er seinen Vater fürchtete, beinahe hasste, wollte er genau so sein, wie sein Vater es sich vorstellte. Oder besser.
    RT 501 beobachtete die Autos, die die Straße entlang krochen und registrierte ein eigenartiges Brennen in seinem Inneren, das weiter zunahm, bis er die Umgebung nur noch verzerrt wahrnahm. Er schien zu vibrieren. Seine Hände krallten sich so fest zusammen, dass er befürchtete, sie könnten sich selbst zerquetschen. Er überlegte, wie sich diese ungewohnten Gefühle unter Kontrolle bringen ließen. Vielleicht brauchte er nur etwas Ablenkung. Etwas, das die Wut in ihm auslöschte.
    Er drehte sich von seinem Spiegelbild weg und machte einen Schritt auf die Straße zu, auf der sich die Autoschlange träge dahinschleppte. Eines der Fahrzeuge fiel ihm auf: es war ein roter Oldtimer, ähnlich dem, den sein Vater früher gefahren hatte. Der Roboter formte seine Hände zu zwei Hämmern und holte aus, um die Scheiben des Wagens zu zertrümmern, aber im letzten Moment wandte er sich ab.
    Er musste weiter. Zu diesem Gebäude mit der blauen Glasfassade. Er wurde erwartet.
     
    •
     
    Tom saß bereits wieder in seinem Auto, als sich die Zentrale meldete. Der gesuchte Roboter war inzwischen mehrfach gesehen worden. Tom bekam die Koordinaten seiner letzten Aufenthalte: Es war ganz in der Nähe der Zentrale von FUOP-TECH.
    Aha , dachte Tom. Du willst also nach Hause. Ja, das kann ich irgendwie verstehen.
    Von den Managern bei Xinyio hatte er bereits erfahren, dass sie die Programme für die RT-Modelle bei FUOP-TECH eingekauft hatten und er glaubte ihnen. Es würde sowieso ans Licht kommen, wer diesen Mist zu verantworten hatte, aber das war nicht seine Aufgabe. Seine Aufgabe bestand darin, den Roboter unschädlich zu machen.
    Die Zentrale teilte ihm außerdem mit, dass FUOP-TECH sich uneingeschränkt um RT 501 kümmern wolle, erteilte ihm

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