Götterdämmerung (German Edition)
beide gleichermaßen skeptisch musterten.
„Hübner“, stellte sich der Kleinere der beiden vor und reichte ihm die Hand. Tom schätzte ihn auf Mitte Dreißig, auch wenn das sorgfältig gescheitelte Haar und der graue Anzug ihn älter wirken ließen. Er nahm die ihm hingestreckte Hand und drückte so kräftig zu, dass Hübner kurz das Gesicht verzog. Der andere Mann stellte sich nicht vor. Offenbar ging er davon aus, dass Tom wusste, wen er vor sich hatte – oder es war ihm völlig egal. Tom schätzte, dass es Eisenberg persönlich war, obwohl er sich kaum an die wenigen Fotos erinnern konnte, die er von dem pressescheuen Unternehmer gesehen hatte. Es war der Blick, mit dem er Tom musterte und der gleichzeitig Arroganz, Abscheu und Neugier ausdrückte. Eisenberg hatte die Arme vor dem massigen Bauch verschränkt. Er trug einen perfekt sitzenden Maßanzug, dazu jedoch keine Krawatte. Der oberste Hemdknopf war geöffnet. Es wirkte, als hätte Eisenberg alles abgelegt, was ihn beim Luftholen störte.
„Kommen Sie!“, forderte Hübner ihn auf. Gemeinsam mit den beiden Männern betrat Tom die Zentrale. Von innen war das Gebäude weit beeindruckender als von außen. Er stand in einer weiten kuppelförmigen Halle. Durch die Glasfenster fiel geisterhaftes blaues Licht. Im Hintergrund plätscherten Springbrunnen neben meterhohen, echt aussehenden Palmen. Der Marmorboden glänzte. Der Durchgang zu den Fahrstühlen bestand aus einer Illumination in Form eines mediterranen Torbogens. Ganz nett , dachte Tom. Mehr aber auch nicht .
„Können Sie sich ausweisen?“, wollte Hübner wissen. Tom zeigte seinen Dienstausweis. Hübner lief zur Rezeption, scannte die Karte und gab sie Tom zurück.
„Also was führt Sie zu uns?“, fragte er.
„Das wissen Sie doch“, erwiderte Tom. „Also wo ist er? Haben Sie ihn aus dem Verkehr gezogen?“
„Sie meinen den RT 501?“
„Gibt es noch mehr?“
Hübner zuckte die Achseln. „Nicht, dass ich wüsste. Ja, er ist aus dem Verkehr gezogen. Die Polizei ist bereits informiert. Wir haben die Situation unter Kontrolle.“ Er bemühte sich, gelassen und souverän zu erscheinen, aber auf Tom wirkten sowohl seine Mimik als auch die abgenutzten Phrasen aufgesetzt. Misstrauisch sah er sich in der Halle um. „Warum schwadroniert der Wachdienst hier rum wie ein Haufen aufgeschreckter Kakerlaken?“
Hübner verzog geringschätzig das Gesicht. „Sie wissen selbst, dass ein defekter Roboter einiges durcheinander bringen kann.“
Tom wandte sich an Eisenberg, der ihn unverwandt mit eisiger Miene ansah. „Ich möchte ihn haben!“, verlangte er.
„Ausgeschlossen!“ Hübner sah kurz zu Eisenberg hinüber, der seine Aussage mit einem kaum merklichen Nicken bestätigte.
„Der Roboter wird beschlagnahmt!“, beharrte Tom. „Er muss untersucht werden. Um weitere Probleme mit der Programmierung auszuschließen.“
„Dazu haben Sie kein Recht!“, sagte Hübner. „Und was die Programmierung betrifft – wenden Sie sich an Xinyio! Die sind dafür verantwortlich. Wir behalten unser Exemplar und führen eine firmeninterne Untersuchung durch.“
„Wozu? Wenn Sie keinerlei Verantwortung tragen, können Sie die Maschine ebenso gut ausliefern. Ich verspreche Ihnen, dass sie vor einer unabhängigen Untersuchungskommission landet.“
„Wir wollen wissen, wieso der Roboter zu uns gekommen ist“, antwortete Hübner leise und Tom bemerkte an seinem Blick, dass zumindest das der Wahrheit entsprach.
„Okay“, sagte er. „Ich verstehe das. Trotzdem muss ich darauf bestehen, dass Sie mir die Maschine übergeben. Ich bin von offizieller Seite mit der Suche betraut worden. Meine Arbeit ist noch nicht erledigt. Und der Roboter ist nicht Ihr Eigentum. Er gehört der Xinyio AG, die ihn an die Baufirma vermietet hat. Also …“ Er holte tief Luft und sah Eisenberg drohend an. „Geben Sie mir das verdammte Ding! Dann haben Sie Ihre Ruhe. Andernfalls wende ich mich an die Presse. Ich habe gesehen, was er angerichtet hat, verstehen Sie?“
Tom verengte die Augen und musterte Eisenberg drohend. Er hatte keineswegs vor, sich an die Presse zu wenden. Für die sensationslüsternen Aasgeier, die sich Reporter nannten, hatte er nicht viel übrig. Außerdem wollte er nicht, dass die Öffentlichkeit zu viel über ihn erfuhr. Bei seinem Job war es besser, unauffällig zu bleiben. Aber das musste Eisenberg nicht wissen.
„Ich könnte eine ganze Menge darüber erzählen, wozu ein außer Kontrolle geratener
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