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Götterdämmerung (German Edition)

Götterdämmerung (German Edition)

Titel: Götterdämmerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Schwarzer
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umzudrehen, lief der Junge durch die Klinik zurück nach draußen.
    Er stellte fest, dass es noch hell war und der Wind an Stärke zugenommen hatte. Ein paar Kinder ließen ein selbstgebautes Fahrzeug mit Rädern und Segeln über den Fußweg sausen und zeigten neugierig mit dem Finger auf ihn, als er an ihnen vorbei rannte. Die Straßenlaternen schwankten leicht.
    Ben zwang sich, langsamer zu werden. Er wollte nicht unnötig auffallen. Soweit er erkennen konnte, wurde er nicht verfolgt. Ziellos folgte er der Hauptstraße in Richtung Stadtzentrum, bog dann in eine Seitenstraße ein, die zu seinem ehemaligen Zuhause führte, machte wieder kehrt und lief orientierungslos durch die Straßen.
    Vor einem kleinen Geschäft blieb er stehen. Er hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen, und sein Magen knurrte. Der Junge betastete die Geldkarte in der Jackentasche, dann betrat er das Geschäft. Wie in den meisten Läden gab es weder Verkäufer noch Kassierer, es gab überhaupt kein Personal. Ben stellte sich an den Automaten für Schnellkunden, wählte auf der Bildschirmanzeige eine Packung Sandwiches mit Salami aus und hielt seine Paycard vor den Scanner. Das Gerät zeigte einen Restbetrag von vierzehn Euro zwanzig.
    Ich muss sie unbedingt aufladen , dachte Ben. Zurück auf der Straße riss er die Folie von den Sandwiches, biss hungrig aber lustlos große Stücke ab und schlang sie hinunter. Niemals zuvor hatte ihm Essen so wenig Spaß gemacht.
    In der Nähe des Geschäfts fand er einen Geldautomaten. Er steckte seine Karte ein und wartete. „Zugang gesperrt“, meldete das Gerät. Ben nahm die Karte, wischte mit dem Daumen über die elektrischen Kontakte und versuchte es erneut. „Zugang gesperrt“, wiederholte das Gerät. Ben stand unschlüssig vor dem Automaten, starrte auf die nutzlose Geldkarte und schob sie zurück in den Schlitz. Vielleicht hatte er die PIN verwechselt. Er schloss die Augen. Konzentrierte sich. Schlug die Augen wieder auf. Letzter Versuch , dachte er nervös. Vergeblich. Er konnte die Karte nicht aufladen. Vierzehn Euro waren alles, was ihm geblieben war.
    Vierzehn Euro und ein lächerlicher Knopf. Was sollte er damit anfangen? Das Konto gehörte seiner Mutter, aber bisher hatte er vollen Zugriff darauf gehabt.
    Er trottete weiter. An einer riesigen elektronischen Informationstafel hielt er an, betrachtete die neuen Automodelle, die angepriesen wurden und als die Werbung zu Ende war, bemerkte er, dass sein Foto die Autoreklame ablöste .
     
    •
     
    In den seltenen Pausen, die sich Nadja gönnte, besuchte sie das Bistro im Erdgeschoss, wo sie an guten Tagen ein Baguette und einen Latte Macchiato bestellte. An schlechten Tagen trank sie zwei Tassen Kaffee und aß nur die kleinen Kekse, die es zum Getränk gab. Meist suchte sie sich einen Platz am Fenster, schaute hinaus und beobachtete die Leute. Die wenigsten ihrer Kollegen kannte sie persönlich – und sie wollte es auch nicht. Je weniger sie erzählen musste, desto besser. So hatte Nadja eine Art Kraftfeld um sich herum errichtet, das niemanden durchließ.
    Heute hatte sie noch nicht einmal die kleinen Kekse neben ihrer Kaffeetasse angerührt. Lustlos rührte sie in ihrem Kaffee, schwarz, kein Zucker, ohne einen einzigen Schluck zu trinken. Neben der Tasse lag ein E-Panel mit Informationen über die RT-Baureihe, alle Aufzeichnungen, die sie in der firmeninternen Datenbank hatte finden können. Informationen zur Programmierung beispielsweise, aber das brachte sie im Moment nicht weiter. Sie hatte keine Ahnung, wie sie die Kontrolle über RT 501 zurückerlangen konnten. Nadja war so sehr in ihre trübe Welt versunken, dass sie den Schatten neben sich gar nicht wahrnahm.
    „Na, wie immer schwer beschäftigt?“ Die Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Nadja schaute auf. Martin Hübner. Sie zuckte mit den Schultern.
    „Kann ich mich setzen?“
    Wieder ein Schulterzucken. „Von mir aus.“
    Ihr Kollege warf einen Blick auf das E-Panel. „Du solltest mal abschalten.“
    Nadja sah ihn ernst an. Sie wunderte sich über die Sorglosigkeit in seinem Gesicht. „Hast du noch nichts von den Schwierigkeiten mit dieser Baureihe gehört?“
    „Doch, klar.“ Martin nickte. „Wir lassen uns was einfallen. Niemand kann uns was anhängen.“
    Nadja verzog das Gesicht. „Ist das alles, was dich interessiert? Diese Maschine ist gefährlich.“ Sie war lauter geworden, als beabsichtigt. Stirnrunzelnd senkte sie die Stimme. „Wir müssen schnellstens die

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