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Götterdämmerung (German Edition)

Götterdämmerung (German Edition)

Titel: Götterdämmerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Schwarzer
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zu seiner Organisation „Spirit“ gehörten. Die meisten saßen auf dem Boden des verlassenen Lagerhauses, weil die Sitzgelegenheiten nicht ausreichten. Einige standen an die Wand gelehnt. Manche hatten ihren Blick auf ihn gerichtet und warteten darauf, dass er das Wort ergriff. Andere redeten miteinander oder hörten über Kopfhörer Musik. Eine der zahlreichen Regeln besagte, dass Lärm – jegliche Art von Lärm – tabu war. Schließlich sollte niemand ihren Treffpunkt erfahren. Offiziell wurde die Lagerhalle nicht mehr genutzt.
    Die Mitglieder von Spirit vertraten verschiedene Altersgruppe, sie waren unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlich gebildet. Sie alle verband jedoch ein gemeinsames Ziel: die Welt zu verbessern. Dass dazu auch Rückschläge, gar Verluste gehörten, verstand sich von selbst. Niemand sprach lange über die Toten. Auch nicht über Eddie und Mac.
    Oliver hatte die Geschichte bereits in seinem Kopf abgehakt. Er wusste immer noch nicht genau, was eigentlich auf dem Grundstück der Maiwalds vorgefallen war. Vincent hatte etwas von einem Hinterhalt erzählt, von einer Art Kampfroboter, der auf sie losgegangen sei. Das wäre möglich, aber andererseits neigte Vince dazu, mächtig zu übertreiben. Und aus den anderen war auch nicht mehr herauszubekommen.
    Er würde sich später um die Geschichte kümmern. Jetzt musste er sich auf die Aufgaben konzentrieren, die unmittelbar vor ihnen lagen. Und um seine Anhänger .
    Sie waren vollzählig. Alle, die zu seiner Organisation gehörten, waren gekommen – abgesehen von Simon, aber der war entschuldigt. Unbedingter Gehorsam und Loyalität der Organisation und natürlich ihm gegenüber waren oberste Grundsätze seiner Bewegung. Es war das Erste, was Oliver seinen Anhängern einbläute.
    Zusätzlich gab es einen Regelkatalog, den er selbst erstellt hatte. So sollten sämtliche Einsätze mit ihm abgesprochen werden. Es herrschte eine Schweigepflicht gegenüber Dritten. Und es durfte auf keinen Fall Zeugen geben. Keine Mitwisser. Jeder, der seiner Organisation beitreten wollte, musste das akzeptieren. Dafür bekam er das Gefühl, Teil eines großen Ganzen zu sein. Die Welt zu verändern.
    Niemand hier fühlte sich noch unbedeutend und klein. So wie sie hier saßen, verfügten sie über eine Macht, von der sie vorher nicht zu träumen gewagt hatten. Sie brachten Tod und Zerstörung und gleichzeitig Hoffnung. Waren Retter der menschlichen Zukunft. Oder klang das zu hochtrabend? Oliver verzog den Mund zu einem kaum merklichen Lächeln. Es klang viel zu hochtrabend, klar, aber im Grunde verstanden sie sich als genau das: Partisanen, die für eine bessere Gesellschaft kämpften.
    Oliver war sich natürlich der Tatsache bewusst, dass nicht jeder in diesem Raum die großen Ziele seiner Organisation verstand und seine Ansichten teilte. Der da zum Beispiel – Rambo – wollte nur seinen Spaß. Der war ein Arschloch. Aber egal, es diente schließlich einem guten Zweck. Und der Zweck heiligte nun mal die Mittel, so hieß es doch oder?
    Andere Leute mochten subtiler vorgehen. Sie schrieben Bücher, Essays, hielten Vorträge, versuchten sich in der Politik. Für derlei hatte Oliver keine Zeit. Er wollte schnelle Erfolge. Dass er diese Organisation aufgebaut hatte, erfüllte ihn mit Stolz und Genugtuung. Sie war ein Gegenpol zu den Gelegenheitsjobs, mit denen er sich nach seinem abgebrochenen Studium über Wasser hielt und die ihn weder finanziell noch sonst irgendwie befriedigten.
    Er konnte sich immer noch keine Wohnung leisten, lebte stattdessen in seinem Lieferwagen. Dennoch würde er Spirit gegen kein Geld der Welt tauschen wollen:  Dieses Gefühl, etwas zu bewegen. Die Spannung, die bereits in der Planungsphase ihrer Aktionen in ihm kribbelte. Die Zufriedenheit, wenn sie wieder einen ihrer Gegner ausgeschaltet hatten. Die Aufmerksamkeit, mit der seine Anhänger an seinen Lippen hingen.
    Sie trafen sich einmal pro Woche, meist in der alten Fabrikhalle am Stadtrand. Immer spät in der Nacht, um zufällige Zeugen auszuschließen.
    Oliver stand hinter einem kleinen Klapptisch, dem einzigen weit und breit. Vor ihm lag sein Notebook, aufgeklappt, daneben eine Packung Tabletten. Unruhig sah er auf die Zeitanzeige. Für diese Nacht war noch eine Aktion geplant, die bald starten würde. Hoffentlich war es kein Fehler, Simon zu vertrauen. Wieso konnte der Kerl nicht zugeben, dass er Mist gebaut hatte? Der Code, von dem aus das Spionage-Programm installiert wurde, war

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