Götterdämmerung (German Edition)
nicht. Soll ich den Wachdienst rufen? Ich meine, ich wollte nicht … Er ist ja Polizist!“ Ratlos sah sie Eisenberg an. Der furchte die Stirn. Ein Polizist passte nicht in seinen Plan. Er hatte jetzt keine Zeit, Fragen zu beantworten, die er entweder nicht beantworten konnte oder die niemanden außerhalb der Firma etwas angingen. Bestimmt ging es wieder um diesen verdammten RT 501 und seine Fehlprogrammierung.
„Schon gut“, seufzte er „Ich kümmere mich darum.“ Die Sekretärin nickte erleichtert und ging hinter den Tresen im Vorraum.
Eisenberg sah Nadja mit immer noch gefurchter Stirn an. „Ich werde ihn bitten, später wiederzukommen“, sagte er.
„Wann später?“, fragte Nadja spöttisch. „In drei Tagen?“ Eisenberg zuckte die Achseln, fuhr sich durch sein dünnes Haar und trat in den Raum. An der Türschwelle blieb er wie angewurzelt stehen.
„Sie?“, entfuhr es ihm.
Tom Lange hing halb sitzend, halb liegend in Eisenbergs altem Ledersessel, die Beine weit von sich gestreckt. Die Hände steckten in den Taschen seiner Pilotenjacke. Er hatte den Sessel so gedreht, dass er die Tür im Blick hatte und wippte geistesabwesend auf und ab. Obwohl er Eisenberg und Nadja sehen konnte, blickte er sie nicht an, sondern starrte durch sie hindurch auf einen imaginären Punkt.
„Wer ist das?“, wollte Nadja wissen. Eisenberg drehte ihr sein blasses Gesicht zu.
„Das ist der Typ von dem ich dir erzählt habe. Von dieser blöden NT-Security.“
„Er lebt also.“ Sie lächelte kaum merklich.
Eisenberg reagierte nicht auf diesen Satz, aber Tom Lange tat es. Ein Zucken glitt über sein Gesicht. Seine Augen, deren Blick sich im Nirwana verloren hatte, richteten sich auf Eisenberg. Langsam setzte Tom sich auf. Er zog die Beine näher an seinen Körper heran und bückte sich mit einer plötzlichen schnellen Bewegung nach dem Computerausdruck unter dem Schreibtisch. Wortlos streckte er Eisenberg das Papier entgegen.
„Na und?“, murmelte der, ohne nach dem Blatt zu greifen. „Können Sie mit dem Quatsch etwas anfangen?“
„ Dreißigster Oktober 2045, 13 Uhr 04. “ Tom las mit rauer Stimme: „ Was sagst du zu meinem neuesten Coup? Wie es aussieht, sind die alten HMO-Bestände noch wirksam. Wenn ich Euch einen Tipp geben darf: Benutzt die Transfergeräte. Wir sehen uns im nächsten Zeitalter unter anderen Umständen. X.
P.S. Ihr solltet den Transfer abgeschlossen haben, bevor meine Armee euch findet. Sie mögen keine Menschen, egal ob infiziert oder nicht. “
Er legte das Blatt auf den Schreibtisch zurück und schien nach Worten zu ringen. „ Das HMO?“
Eisenberg nickte. Er überlegte, wie viel er dem Mann mitteilen sollte. „HMO A16. Ein Virus. In den zwanziger Jahren vom Militär entwickelt.“
„Ich habe davon gehört“, murmelte Tom. „Damals, zu meiner Zeit als Soldat. Nur dachte ich, dass es längst vernichtet worden wäre.“ Eisenberg lachte höhnisch. „Als ob die so was vernichten würden. Mann, sind Sie naiv!“
„Aber es gibt keine Möglichkeit, die Krankheit zu bekämpfen. Oder? Und was meint dieser X damit, dass seine Armee keine Menschen mag? Welche Armee?“
„Erste Frage: keine Ahnung. Zweite und dritte Frage: keine Ahnung. Sind wir fertig?“
Tom musterte ihn mit kaltem, entschlossenem Blick. „Was sind das für Transfergeräte?“
Eisenberg überlegte, nun doch den Wachdienst zu rufen, aber dann wusste er, was er zu tun hatte. Es war ein glücklicher Wink des Schicksals. Er durfte keine Zeit mehr verlieren.
„Ich zeige es Ihnen“, sagte er. „Kommen Sie! Übrigens, das ist meine Assistentin, Frau Bergmann. Sie wird mir behilflich sein.“
Tom erhob sich schwerfällig. Er stützte sich am Schreibtisch ab und kehrte Eisenberg und Nadja, die schweigend neben ihrem Chef stand, den Rücken zu. Jede Bewegung bereitete ihm sichtlich Schwierigkeiten. Eisenberg warf seiner Assistentin einen drohenden Blick zu. Wehe, wenn du ihn warnst , sagte sein Blick und er war sich sicher, dass sie ihn verstand.
Nadja erwiderte nichts darauf. Sie zuckte nicht einmal mit der Wimper. Eisenberg deutete Tom, ihm zu folgen und verließ das Büro. Nadja folgte den beiden Männern. Den Computerausdruck steckte sie ein.
Tom stellte keine weiteren Fragen. In seinem Kopf tobten so viele Gedanken, dass er keinen einzigen zu fassen bekam. Es war alles zu viel. Der Schock nach dem Lesen des Computerausdrucks. Nina. Er durfte gar nicht daran denken, dass sie sich möglicherweise mit
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