Götterdämmerung (German Edition)
diesem mysteriösen Virus infiziert hatte. Oder dass er selbst infiziert sein könnte. Dass sie alle womöglich nur noch wenige Stunden zu leben hatten.
Nein.
Diese Gedanken durften keinesfalls die Oberhand gewinnen. Wenn er das zuließe, wäre es vorbei. Dann konnte er sich gleich hier hinsetzen und sich jeden weiteren Schritt sparen. Das durfte nicht passieren. Er hatte die Chance bekommen, in die Eingeweide der Firma zu kriechen. Er würde sie nutzen.
Er folgte Eisenberg zu einer Code-gesicherten Tür, hinter der sich ein riesiger Aufzug verbarg. Als einziger Halt wurde das zweite Untergeschoss angezeigt. Dort angekommen, gingen sie durch einen kleinen verglasten Nebenraum mit Bedienpulten und Monitoren in das Labor, einen quadratischen Raum, in dem sich abgesehen von zwei MRT-ähnlichen weißen Röhren mit dazugehörigen Liegen nur noch ein hoher Wandschrank und ein paar Urkunden an der Wand befanden.
„Setzen Sie sich bitte!“, sagte Eisenberg mit gespielter Freundlichkeit. Tom setzte sich auf eine der beiden Liegen vor den Röhren. Sie war glatt und hart.
„Wenn Sie wollen, können Sie die Maschine gleich ausprobieren“, sagte Eisenberg. „Es tut nicht weh.“
Tom wehrte ab. „Erst mal sollten Sie mir erzählen, worum es sich dabei handelt! Wie funktionieren diese Maschinen? Was passiert in der Röhre? Meinen Sie nicht?“
Eisenberg seufzte. „Meinetwegen.“ Er drehte sich zu seiner Assistentin um, die hinter ihm stand. „Zeigen Sie ihm unseren Prospekt!“, wies er sie an. In seiner Stimme schwang Ungeduld mit.
Die Frau lief zum Wandschrank und öffnete eines der Schubfächer. Tom musterte sie kritisch. Die Frau wirkte niedergeschlagen. Apathisch. Die Miene nichtssagend. Nadja Bergmann kam ihm vor, als hätte sie ihr komplettes Selbstbewusstsein begraben und sich längst damit abgefunden. Sie gab sich keine Mühe, einen guten Eindruck zu hinterlassen und sei es nur, um den Schein zu wahren.
Außerdem war sie zu dünn. Nein, dünn war das falsche Wort – ausgezehrt passte besser. Das konnten auch der schicke hellblaue Hosenanzug und die Hochsteckfrisur nicht kaschieren. Andererseits wusste sie weit mehr von den Vorgängen um die Firma als er. Gewiss hatte auch sie den Computerausdruck gelesen. Tom dachte daran, wie apathisch er selbst in Eisenbergs Sessel gesessen hatte. Wie würden wohl andere auf diese Informationen reagieren?
Eisenbergs Assistentin streckte sich und holte einen Flyer aus dem Schubfach. Tom nahm ihr das Papier ab. Es war komplett mit chinesischen Buchstaben bedruckt. Er klappte die Doppelseite auf und drehte das Papier nach allen Seiten.
„Was soll der Quatsch?“, fragte er verwirrt und wollte das Blatt zurückgeben, aber bevor er dazu kam, spürte er einen kalten Gegenstand, der gegen seinen Hals drückte und eine Hand, die ihn im Nacken packte. Er bäumte sich auf und versuchte, nach der Hand in seinem Nacken zu greifen, fiel aber noch in der Bewegung auf die Liege zurück.
„Ist nur zu Ihrem Besten“, hörte er Eisenbergs Stimme, die sich von ihm zu entfernen und sich aufzulösen schien. Die Konturen des Zimmers verschwammen, vermischten sich zu einem Meer blassbunter Farben und rückten von ihm weg.
„Experiment … immer … Narkose … so …“, hörte Tom. Er schloss die Augen. Bevor er vollständig wegtrat, spürte er noch, dass sich die Liege bewegte und dass sich etwas um seinen Kopf legte wie eine zu enge Maske. Dann konnte Tom den Nebel aus Müdigkeit nicht mehr durchdringen.
„Musste das sein?“, fragte Nadja, während sie auf die reglose Gestalt hinuntersah, die bis in Brusthöhe in eine der Röhren geschoben worden war.
„Sah nicht so aus, als hätte er sonst mitgemacht oder?“, blaffte Eisenberg.
Nadja rieb sich nervös die Hände. „Ich hoffe, er wird keiner von ihnen “, flüsterte sie und sah zur Tür, als befürchtete sie, dass die Roboterarmee schon unterwegs wäre und jeden Moment das Zimmer stürmte. Die Maschine konnte die Rettung des Security-Mannes bedeuten. Ihrer aller Rettung. Vor HMO A16 und den feindlichen Robotern. Nur deshalb hatte Nadja den Mann nicht gewarnt. Eisenbergs Drohung war ihr egal, auch wenn er das niemals vermuten würde.
Die Zeitanzeige des Transfergerätes zählte rückwärts. Noch sieben Stunden zwanzig Minuten achtunddreißig Sekunden. Sie mussten sich gedulden.
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Die Nacht brach an. Obwohl es auch vor dem Schloss und im Park Lichter gab, die der zunehmenden Dunkelheit trotzten, bemerkte
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