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Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Titel: Götterdämmerung in El Paso (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis
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Kopf zurück und gab mir mit einem Blick zu verstehen, was für ein Idiot ich doch sei, hervorragendes Essen mit Giften zu versetzen.
    »Hat der große, böse Pothead dir etwas zu futtern gegeben, Kätzchen?«, fragte ich.
    Gretchen antwortete darauf mit einem langanhaltenden Klagelaut. Ich nahm ein Stück Käse von meinem Sandwich, leckte den Senf ab und Gretchen verzog sich damit auf den Boden.
    Eine zweite Dose Lone Star in der Hand, steuerte ich meinen Rückzugsort im ersten Stock an. Ich hatte geglaubt, hinausgehen, ins Upper Valley fahren und wieder Kontakt mit meiner Welt aufnehmen zu können, aber ich musste einsehen, dass ich dafür noch zu schwach war.
    Ich schloss die Zimmertür hinter mir, verweigerte dem munteren Stimmengewirr so den Zutritt, zog mich aus und fiel ins Bett, zurück in meine Träume.
    Er ist da, wartet. Seine trüben toten Augen sind auf mich gerichtet, als ich den zweiten Feuerstoß abgebe. Er reißt die Arme nach oben, zeigt auf seine blutenden Ohren. Die Druckwelle der Bombe, die von einer F-15 hinter der Berme abgeworfen wurde, hat seine Trommelfelle zum Platzen gebracht. Er hat meine in schlechtem Arabisch gerufene Aufforderung, seine AK-47 fallen zu lassen, überhaupt nicht hören können.

34
    Die schwüle Nacht schien kein Ende nehmen zu wollen. Ich schwitzte, schlief in kurzen Intervallen. Jedes Mal, wenn ich aus dem Halbschlaf hochfuhr, dachte ich, es sei bereits Morgen, doch es war noch immer Nacht.
    Ich wanderte im Haus umher.
    Luther hatte keine Klimaanlage in dem alten Kasten einbauen lassen. Die Luft war stickig. Wetterleuchten draußen, hinter den Fenstern. Meine Unterhose klebte an mir wie eine zweite Haut.
    Luther und Lelanie redeten die ganze Nacht miteinander. Egal, wo ich umherwanderte, ich hörte sie. Sie unterhielten sich im Bett, sie unterhielten sich, wenn sie nicht im Bett waren. Sie unterhielten sich in der Küche, während sie eine Kleinigkeit aßen. Sie folgten einander ins Badezimmer und unterhielten sich, während einer von beiden pinkelte. Sie nahmen ein Bad, zu zweit, und dank Fliesen und Keramik waren ihre Stimmen noch aufdringlicher.
    Ich hörte sie und manchmal sah ich sie auch. Es war nicht schön. Lelanie und Luther im Esszimmer, Luther in Ekstase, nicht Lelanies engagierter Fellatios wegen, sondern der eigenen Stimme wegen, mit der er seine visionären Einfälle deklamierte.
    In dem Schlafzimmer, das neben meinem lag, trug Luther Passagen aus Der Entfesselte Parsifal vor, untermalt vom Quietschen der Sprungfedern, das wie das Quietschen einer verrosteten Wippe klang. Nachdem die verrostete Wippe zum Stillstand gekommen und auch das Juchzen und Stöhnen verebbt war, unterzog er Lelanie einer Befragung, um herauszufinden, inwieweit sie das Revolutionäre seiner literarischen Methode tatsächlich ermessen konnte.
    »Die neuen Strukturen werden das Reale und das Abstrakte wie bei einem Kettenhemd miteinander verflechten!«, sagte er.
    »Oh du!«, so Lelanie.
    »Ein Bildungsroman, der zum Fluchtpunkt von Tod und Verklärung geführt wird. Wer hat es geschaffen?«
    »Mein großer Junge!«, jubelte sie.
    »Obwohl ich von Zeit zu Zeit ins Chaos abtauche, komme ich stets mit dem Gold an die Oberfläche zurück.«
    »Mein genialer Romeo!«
    Mir wurde klar, dass dies die Frau war, die Luther hätte heiraten sollen — Lelanie, die gefügige Hedonistin, und nicht Carla, der weibliche Kreuzritter in Sachen Gerechtigkeit.
    Sie standen auf und flitzten die Treppe hinunter, in die Küche. Ich hörte, wie der Kühlschrank geöffnet und geschlossen, geöffnet und wieder geschlossen wurde. Irgendwann schlief ich ein, schlief länger als nur ein paar Minuten, doch Erholung fand ich nicht.
    Die Sonne ging auf, zuverlässig wie immer. Sie presste sich mit der Hitze eines Glühofens gegen mein Fenster. Irgendwo da draußen bediente sich eine Spottdrossel ihres entliehenen Repertoires, als wäre jeder einzelne Ton von ihr. Im Schlafzimmer nebenan schnarchten Luther und Lelanie, endlich ermattet, in harmonischer Zweisamkeit.
    Ein guter Tag zum Ausziehen.

35
    Ich nahm mir ein Zimmer im Las Palmas Inn, einem alten, aber anständigen Motel im östlichen Teil der Alameda Avenue. Es war preiswert und etwas weiter weg vom Schuss. Ich rief Fernie Peralta an und erklärte seinem Anrufbeantworter, wo ich steckte. Danach rief ich Velma an, um ihr auseinanderzusetzen, was demnächst passieren werde, dass es dazu keine Alternative gebe und sie keinerlei Einfluss darauf habe.
    »Ich

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