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Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Titel: Götterdämmerung in El Paso (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis
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zahlt sich aus. Die Verachtung seitens der Neuro- und Herzchirurgen stecken sie recht locker weg und ihre Beiträge zur Berufshaftpflicht sind ein Klacks, verglichen mit den Summen, die Spezialisten zahlen müssen, die ein höheres Risiko zu schultern haben.
    Dr. Selbiades’ Praxis verfügte über mehrere Sprechzimmer und der gute Doc ging flott zwischen ihnen hin und her und sackte die Medicare-Dollars schneller ein, als die Regierung sie drucken konnte. Ich musste nicht lange auf ihn warten.
    Er sah besser aus als auf den Fotos aus Carlas Dossier. Zunächst einmal war er jünger, als ich gedacht hatte. Den Fotos nach zu urteilen, hätte er sechzig, wenn nicht sogar siebzig sein können. Dabei war er den fünfzig näher und schlank wie ein Langstreckenläufer.
    »Ziehen Sie die Hose runter, Mr. Morgan«, sagte er. »Lassen Sie uns mal einen Blick auf das Muttermal werfen.«
    »Ich habe kein Muttermal«, sagte ich. »Ich bin hergekommen, um Hector Martinez mitzunehmen oder das, was von ihm übrig ist.«
    Er zuckte nicht einmal mit der Wimper. »Muss ich das jetzt verstehen, was Sie sagen?«, fragte er. Er sprach mit leichtem Akzent, möglicherweise osteuropäisch.
    »Von Huddy Darko weiß ich, dass Martinez bei Ihnen ist. Er hat mir alles über Ihren kleinen Horrorladen erzählt. Es ist nicht davon auszugehen, dass Huddy gelogen hat.«
    Darauf gab es eine Reaktion. Selbiades zog die Augenbrauen hoch und neigte den Kopf ein wenig zur Seite, als wollte er einem Schlag ausweichen.
    »Wenn Sie die Polizei rufen wollen? Tun Sie sich keinen Zwang an, Doc. Ich glaube, die hätten Interesse an Ihrem Verlies.«
    »Huddy Darko«, sagte er nachdenklich, als wüsste er nicht wohin mit diesem Namen. »Sie kennen Huddy, ja?«
    »Ich habe ihn getötet«, sagte ich. »Habe sein Hirn in einem Hotelzimmer in Juárez verspritzt. In Notwehr, natürlich.«
    Er entspannte sich ein wenig, seine Mundwinkel wanderten aufwärts und sein schmaler Mund verzog sich zu einem Lächeln der Gelassenheit. »Früher oder später musste ihn jemand umbringen. Mr. Darko mangelte es an diplomatischem Geschick.«
    Das amüsierte uns beide. Ich musste unwillkürlich auflachen. Bevor ich in die Praxis gefahren war, hatte ich ein paar von den Uppers genommen, um mich für einen ereignisreichen Tag zu wappnen, und jetzt fingen sie an, Wirkung zu zeigen. Inzwischen war ich hinreichend angeheizt, um mit Ausblick auf die kommenden Ereignisse sogar eine gewisse Euphorie zu empfinden.
    »Ich bin sehr gut vernetzt, Mr. Morgan«, sagte Selbiades. »Ich habe Freunde in entsprechenden Positionen, sowohl bei der Polizei als auch in hiesigen Regierungskreisen. Mit meinen Freunden können Sie mir nicht drohen.«
    »Und dennoch haben Sie bisher den Hörer nicht in die Hand genommen.«
    Man sah ihm an, dass ihm urplötzlich ein Licht aufging. »Diese Frau hat sie geschickt«, sagte er. »Diese überspannte Person aus El Paso. Diese Professorin auf dem Kreuzzug, Advokatin der Mischlingsrasse. Habe ich recht?«
    »Carla Penrose sitzt in Haft, als unverzichtbare Zeugin. Die Cops wollen Hector. Ich kann Ihnen, Carla und der Polizei eine Menge Ärger ersparen, wenn Sie ihn mir einfach übergeben.«
    Er setzte sich auf den Hocker neben dem Untersuchungstisch, zog seine Hosen gerade, um ihre messerscharfe Bügelfalte zu konservieren.
    Mein Blick fiel auf perfekt geputzte Slipper mit Troddeln. »Ich fürchte, ich bin in dieser Sache nicht objektiv, Mr. Morgan. Martinez hat meinen Sohn getötet.«
    »Es war ein Unfall, ein versehentlicher Schuss«, sagte ich und zog die Kassette aus meiner Jackentasche. »Hier ist der Beweis.«
    Er nahm das Band. »Was sollte mir das wohl beweisen? An den Tatsachen ist nicht zu rütteln. Mein wunderbarer Sohn ist tot. Sein Name war übrigens Willy.«
    »Ihr wunderbarer Sohn war auf Patrouille für die Hans-Brinker-Brigade, eine Ausgeburt Ihrer Ideologie. Einen Jungen mit einer automatischen Waffe und einem Kopf voller gefährlicher Ideen dorthin zu schicken, war unverantwortlich. Sie suchen einen Schuldigen für seinen Tod? Fangen Sie bei sich an.«
    Ich hatte einen Nerv getroffen. Selbiades zuckte zusammen. »Sie haben kein Recht, so mit mir zu sprechen«, sagte er. »Und Sie haben nicht die leiseste Vorstellung von meinen Ideen.«
    »Sie haben da draußen Scharfschützen im Einsatz, die sich einbilden, das Land zu retten. Dank Ihrer Ideen werden noch mehr Menschen beiderseits der Grenze dran glauben müssen.«
    »Der Krieg ist eine Konstante und

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