Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goetterdaemmerung - Roman

Goetterdaemmerung - Roman

Titel: Goetterdaemmerung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: El mir Bourges
Vom Netzwerk:
der Fassade aus rosa Marmor zwei Mosaikmedaillons anzubringen, von denen eines Heinrich den Löwen und das andere Kaiser Otto darstellte, beides seine Ahnen.
    Das Eigentümliche seiner Livree, die Schönheit seiner Gespanne, Kutscher, Piköre und Postillione führten langsam dazu, dass der Herzog sogar aus der Menge von Fürsten herausstach, die damals anlässlich der Weltausstellung 56 zusammengekommen waren. Diese befand sich in ihrer glanzvollsten Phase, und die ganze Stadt war festlich geschmückt zum Empfang des Königs von Preußen … Der arme Herzog bekam Herzflimmern, Wutausbrüche und Cafard, als er hörte, dass sein Feind während eines Besuchs des Champ-de-Mars ausgerechnet vor den berühmten Schulterstücken mit gelben Diamanten stehen geblieben war, die als Leihgabe von Karl von Este dort ausgestellt waren. Er willigte erst ein, sie selbst anzusehen, als der König abgereist war, dann aber entfachte der Anblick der monströsen Kanone, dem Ausstellungsstück der Preußen, seine Wut aufs Neue, sodass er nicht noch einmal in diesen «Basar», wie er ihn verächtlich titulierte, zurückkehrte.
    Im Übrigen war er missgestimmt und zernagt von Verbitterung und Verdruss. Oft wachte er mitten in der Nacht auf, läutete dem Italiener, ließ nach Herrn Smithson schicken und geruhte, beiden irgendeine neue Marotte zu entwickeln, die ihm im Schlaf eingefallen war. Das waren für das Hôtel Beaujon, denn so bezeichnete es der Herzog, nacheinander riesige Gewächshäuser, ein türkisches Badezimmer, Büsten der zwölf Cäsaren, eine römische Säulenhalle im Park, die zu einem Zedernwald umgestaltet wurde, der sich dann aber schnell in ein Wasserbassin verwandelte, dann aber doch wieder als Gehölz endete; also tausend Spinnereien, alle gleich schimärenhaft und ruinös, Gebäude, Orangerien, Pavillons aus Marmor und Porphyr, Brunnen, Vasen und Statuen, für die mehr als eine Armida 57 mit ihrem Zauberstab vonnöten gewesen wäre, um sie alle zu verwirklichen.
    Doch beschäftigte schon eine weit schwerere Sorge Herzog Karl. Tatsächlich war deutlich zu sehen, dass das Aufblühen der kleinen Claribel wieder dahinschwand gleich der Sommersonne, die es hatte entstehen lassen. Schon fuhr man das Kind im Rollstuhl nur noch innerhalb der Gemächer spazieren und kurz darauf musste sie das Bett hüten.
    Traurig sah sie zu, wie das Wasser die Scheiben hinunterlief und die Wolken über den Himmel zogen. Die kürzer werdenden Tage, die nicht endende Regenflut, das fahle Licht des bleichen und düsteren Herbstes sowie die allumfassende Stille durchdrangen die Seele der Sterbenden mit unsäglicher Melancholie. Dennoch blieb sie gefasst, unterdrückte und verbarg ihre Tränen. Ihrem von der Krankheit gezeichneten Antlitz fehlte es nicht an Anmut; sie wollte, dass man sie schmückte, sie noch mehr als zuvor umsorgte und ihre Launen, sich herauszuputzen, zwangen Emilia oft, aus den ererbten Reichtümern der Gräfinnen von Blankenburg zu schöpfen: Satinstoffe, Brokate, Spitzen, Juwelen, Halskrägen mit Edelsteinen, indische Musseline und Damaras 58 , mit Gold- und Silberblumen bestickte Kleider aus Lyoner Lampas 59 , Stickereien aus Brüssel und Alençon, insgesamt die wunderbarste Ausstattung, wie sie in Europa nur bei zwei oder drei Bildnissen Unserer Lieben Frau zu finden ist.
    Sobald ihre Toilette beendet war, kauerte Claribel träumend in der hintersten Ecke ihrer Seidennische, fröstelnd und trübsinnig, die mageren Arme wie verloren in den großen Puffärmeln. Vor allem in der Dämmerung, wenn die halb verbrannten Holzscheite zwischen den Feuerböcken nur noch ein Häufchen roter Glut bildeten, wenn die Nacht langsam alles verlöschen ließ, von den blauen Rosen der grauen Leinendecke bis hin zu den kleinen Falten des hellblauen Satins der Wand- und Deckenbehänge, dann überwältigten das arme, tieftraurige Herz plötzlich die Tränen. Sie rief Emilia, flüchtete sich an deren Busen und fragte sie bisweilen: «Ach! Was machen die Toten, mamaccia ! Leiden sie, haben sie Hunger und frieren sie, sind sie unglücklich wie die Lebenden?»
    «Nein! Meine kleine Schwester, sie schlafen», antwortete Hans Ulrich eines Tages.
    «Oh! Weshalb bin ich dann nicht tot!», erwiderte sie.
    Und ab diesem Moment schien Claribel ein bitteres Vergnügen dabei zu empfinden, sich über ihr bevorstehendes Ende zu unterhalten. Immerhin fand sie gelegentlich zu einem schwachen und matten Lächeln zurück, als Christiane, um sie zu zerstreuen, die

Weitere Kostenlose Bücher