Goetterdaemmerung - Roman
seines Schmerzes ebbten so rasch ab, wie sie begonnen hatten; doch er überwand seine Trauer nur, um von da an in wachsender und beständiger Angst vor der Ziffer 7 zu leben, die wie ein schrecklicher Mühlstein über seinem Kopf hing und ihn jeden Augenblick zertrümmern könnte. Das war ein neues Spektakel, bei dem der Nachtstuhl des Herzogs eine wichtige Rolle spielte, denn er glich, wie man so sagt, nur noch einem lebenden Leichnam. Er litt unter Hitzewallungen, Stuhlzwang, Mattigkeit und sprach so leise, unzufrieden, weinerlich, mit einem ewigen «wenn ich da noch lebe» vom nächsten Tag, und schließlich all die «Achs!» eingeschworener Hasenfüße, nichts fehlte bei dieser Komödie, nicht einmal die täglichen Streitereien mit Arcangeli über immer dasselbe Thema: «Ein Nummerro», sagte der Italiener, «ein tote, leblose Sache!»
Und dazu lachte er gezwungen, mit einem Anflug sanften Mitleids. Schuld am Tod der Contessina war, bekräftigte der Spaßvogel geheimnisvoll und bewegte zugleich das riesige, vor seinem Bauch schaukelnde Bündel roter Korallenhände 64 hin und her, der Blick, den ihr am Abend des 25. Juni ein jettatore 65 zugeworfen habe, und zwar der Graf von Plessen, den er gut kenne. Nun schüttelte sich wiederum der Herzog so sehr vor Lachen, dass durch Diskussionen, gegensätzliche Meinungen und Wut, dieser Aberglaube zu Karl von Estes liebster und bedingungslosester fixer Idee wurde.
Er bedrängte die Architekten und schalt sie wegen der Dauer der Arbeiten am Hôtel Beaujon, die er zugleich mit seinen Launen in die Länge zog. Vor allem die bereits aufgeteilten Ställe und die zum Anbringen fertige Holzvertäfelung ließ er zehnmal umändern, ja sogar zur Hälfte wieder abreißen, als er sich für die Idee begeisterte, im Beaujon nur die vier Gespanne für sich und seine Kinder zu behalten; die übrigen Pferde wollte er in Saint-Germain in riesigen, repräsentativen Ställen unterbringen, und nichts hätte ihn von diesem Projekt abbringen können außer der Befürchtung, dass irgendein bestechlicher Stallbursche seine Hengste fremde Stuten beschälen ließe, denn er wachte eifersüchtig über seine einzigartigen Tiere.
In der Tat wurde er von Tag zu Tag misstrauischer und argwöhnischer, und zwar so sehr, dass er sich bei manchen Schlosserarbeiten überlegte, diese sieben oder acht verschiedenen Arbeitern anzuvertrauen, von denen dann keiner wüsste, welchen Teil des Ganzen er bearbeitete. Das führte zu weiteren Verspätungen, was die Ungeduld Seiner Hoheit weiter erhöhte; die Ängste ließen den armen Mann in seinem Haus an den Champs-Élysées abmagern, und als es an einem Märznachmittag dreimal donnerte, brachte ihn das ganz außer sich. Er hielt es dort nicht mehr aus, er machte sich davon, verließ dieses verfluchte Haus und zog in Arcangelis Begleitung übergangsweise in das ruhige «Hotel Windsor» in der Rue de la Paix, wo er sich mit der Wohnung begnügte, die normalerweise dem Prince de Galles vorbehalten war.
Er war gerettet; der Herzog atmete auf, öffnete die Augen und holte Luft, und da ihm über einige Tage hin die außergewöhnlichste Pflege zuteilwurde, zweifelte niemand daran, dass Karl von Este nicht doch zu Besonnenheit und seinem üblichen Lebensstil zurückfände. Er hatte lange Besprechungen mit Pomadère, seinem französischen Schneider, kaufte für vierhundert Louisdor Parfümwaren und Krawatten, ließ sich zweimal hintereinander Blut abnehmen, um seine Blässe zu erhalten, die er für besonders und bemerkenswert erachtete, und da er zu einem Fest ins Palais-Royal gebeten wurde, hatte er den Einfall, seine Füße den ganzen Nachmittag über in kaltes Wasser zu halten, um engere Schuhe tragen zu können. Eine gewaltige Menschenmenge umringte ihn, um die tausenderlei Edelsteine, unter deren Gewicht er bald zusammenbrach, zu bewundern, und die schaulustigen Damen drängten so lebhaft und ungestüm, dass sich der arme Sünder inmitten dieser Unordnung schließlich beengt fühlte. Daher sagte er in seinem allereinnehmendsten Ton: «Ach Gott, meine Damen, wenn Sie Diamanten so sehr lieben, kann ich Ihnen noch weit schönere bieten, und zwar darunter.»
Dann tat er so, als wolle er sich entkleiden, was die Neugierigen in die Flucht schlug. Von diesem Moment an berichteten die Gazetten bis ins kleinste Detail alles über Karl von Este; und auf einen Bericht hin machten sich alle Pariser einen Spaß daraus, das Defilee der Lakaien Seiner Hoheit mit ihren Kniebundhosen
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