Goetterdaemmerung - Roman
sein übliches Weihnachtsgeschenk hereintragen, einen riesigen Baum, den dreißig Girlanden aus Wachskerzen erleuchteten und dessen Zweige geschmückt waren mit Spielzeug, mit Kasperlefiguren, mit Etuis, Schachteln, Ringen, Schmuckstücken und allen möglichen Aufmerksamkeiten, die bei einer solchen Gelegenheit üblich waren. Pomp und Lichterglanz brachten das Kind wieder zu sich. Ein Lächeln legte sich über den Tod in ihrem Antlitz, und mit außergewöhnlicher Willenskraft und trotz ihrer Todesqualen befahl sie, dass man sie ankleidete, damit auch sie das Fest feiern könne. Man hängte ihr Ketten, Perlenschnüre und ihre Jaserons 60 um den Hals; an den Fingern trug sie alles, was ihre Ringschatulle an Türkisen und ungarischen Opalen, an Saphiren und Smaragden hergab; und die Italienerin flocht Schleifen und mit Steinen besetzte Bänder in ihr blondes Haar, während Frida am Bett stehend den Spiegel hielt.
Ein letztes Mal betrachtete sie sich darin, die kleine Gräfin, mit gebogener Nase, schwimmenden und glasigen Augen, kahlen Stellen an den Augenbrauen und so in Auflösung unter ihrem Schmuck, dass sie vor der schrecklichen Leichenblässe Angst bekam und, wie um es vor sich selbst zu verbergen, bat, ihr Rouge aufzutragen. Emilia pinselte Schminke auf ihre Bäckchen, schließlich begann das Kind, als es seine Totentoilette beendet hatte, den schimmernden Weihnachtsbaum zu betrachten. Mehrere Puppen hingen an den Zweigen; sie ließ sie auf ihr Bett bringen, dann wandte sie sich an Frida und sagte mit ihrem letzten Lächeln: «Lass uns diese hier schlafen legen, ja, magst du? Dann spielen wir, dass sie stirbt …»
Und als Frida sie mit großen erstaunten Augen ansah: «Nein, im Ernst!», setzte die kleine Gräfin wieder an. «Puppen sterben genauso wie wir.»
Das Mädchen lächelte ungläubig und schüttelte ihren großen Kopf, während Claribel mit ganz leiser Stimme sagte: «Ich versichere dir, es stimmt, sie sterben; glaub mir Frida, es gibt nichts, was wahrer wäre.»
Und als sie auf das Kopfkissen zurückfiel, erschöpft und am Ende ihrer Kräfte, schloss sie die Augen und starb nach einem kurzen Todeskampf und ohne das Bewusstsein wiederzuerlangen.
Der Herzog eilte sogleich herbei. In der anfänglichen Verwirrung blieb das Zimmer leer und von den Kerzen am Baum erhellt wie ein erleuchtetes Trauerlager, nur Graf Otto war bei dem Leichnam. Ein Spiegel verriet, wie der Junge sich mit beleidigenden Verbeugungen an Kopf- und Fußende des Bettes amüsierte und mit Blick auf seine Schwester in grotesker Weise das Mienenspiel der Sterbenden nachahmte.
IV
Der Prunk der Bestattungsfeierlichkeiten war großartig. Es gab Kränze, Standleuchten, ein Katafalk, das Gemach war ausgekleidet mit weißem Samt und Stoffbahnen aus silbernem Moiré, der Leichenwagen bedeckt mit Federn, Blumenbuketten, Troddeln und Wappenschilden; über zweitausend Écu 61 hatte man ausgegeben für die unaufhörlich brennenden Kerzen; inmitten dieses Pomps, dessen kleinste Details Seine Hoheit persönlich geregelt hatte, und einer riesigen, entlang den Straßen und Fenstern wie bei der Passage einer Königin versammelten Menschenmenge verließ Claribel ihr Paradebett sowie all die, die sie geliebt hatte, und wurde am siebten Tag nach ihrem Tod zum Père-Lachaise 62 getragen.
Herzog Karl ordnete für ein halbes Jahr Trauerbeflaggung an. Er war von Herzen betrübt und aufgewühlt, vielleicht weniger wegen des Todes seiner Tochter als wegen all der Düfte, der Fackeln und des ganzen düsteren, das Gebäude umgebenden Apparats; sodass er sich nun, wo der graue Himmel und der auf den Dächern lastende Schnee mit seinem Kummer in Einklang standen, plötzlich in eine furchtbare Traurigkeit vergrub. Jedes Gespräch bis hin zu jedem verhaltenen Lächeln um ihn herum wurde unterdrückt; lautes Reden, Laufen, Lachen, Pfeifen kam einem Kapitalverbrechen gleich; und so saß er trübsinnig, von Lampen umgeben, der Bleiurne mit Claribels Herz 63 gegenüber, auf die er hatte eingravieren lassen:
ET FILIOLAE ET MEUM
( Hier ruht mein Herz samt dem meiner Tochter )
So verbrachte Karl von Este seine Tage damit, sich an seiner Trauer zu berauschen, und nur von Zeit zu Zeit hob er den Kopf, um mit einem schrecklichen Seufzer zu sagen: «Siehst du, mein armer Arcangeli, ohne diese verfluchte Neunummerierung wäre das alles nicht passiert.»
Er kam häufig auf dieses Wahngespinst zurück; seine Traurigkeit ließ nach und verging, die künstlichen Regungen
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