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Goetterdaemmerung - Roman

Goetterdaemmerung - Roman

Titel: Goetterdaemmerung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: El mir Bourges
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Christiane.
    Das Schlafzimmer war leer; kein einziger Diener zeigte sich, um sie anzukündigen. Sie durchquerten die stille Galerie; der mit Wachstropfen bedeckte Teppich erinnerte den Herzog an Hans Ulrichs Tod und an die Fackeln des erleuchteten Trauerlagers. Er verirrte sich, öffnete Türen, die auf Treppen stießen. Endlich fanden sie das große Klavierzimmer; doch schon auf der Schwelle brachten die tiefe Stille und der Anblick der mit geschlossenen Augen in einem Sessel hingestreckten Christiane die Prinzessin so aus der Fassung, dass sie sich kaum hineinwagte.
    «Hier», sagte Karl von Este nach einem Hüsteln, «bringe ich Ihnen unsere Cousine, die Prinzessin von Hanau.»
    Wortlos wandte Christiane sich um und zeigte mit einem Aufleuchten von Sanftheit und Zuneigung, das der guten Frau zu Herzen ging, dass sie sie erkannte; ihr fahles und starres Gesicht hatte etwas Verstörtes. Der Herzog sagte ihr, die Verwandte habe sich eben in Paris niedergelassen. Mittlerweile war sie aufgestanden, blieb jedoch eine Antwort schuldig; die unterdrückten Tränen benetzten ihre Lider. «Sieh an! Es ist ja recht hübsch hier», ergriff Karl von Este wieder zerstreut das Wort, denn er hatte dieses Zimmer nie zuvor gesehen. Sie schloss die Augen und schwieg. In der Ferne spielte eine Drehorgel; das Abendrot verblich, dieses Abendrot, das Hans Ulrich so oft durch dieses Fenster betrachtet hatte. Er war tot, er war tot … er schlief in der Finsternis – und das würde sich niemals ändern.
    Am selben Abend, als sich der Herzog nach dem Auskleiden wie gewöhnlich von Arcangeli die Füße waschen ließ (die einzige Funktion, die diesem gestürzten Großwesir noch zukam), brachte Graf von Oels ein soeben aus den Tuilerien eingetroffenes Billett. «Vom Kaiser», sagte Karl von Este und öffnete es eilig. Seine Majestät bat den Herzog zu einem ernsten Gespräch unter vier Augen: «Wenn es Euch möglich ist, gern am morgigen Freitag im Lauf des Nachmittags.» Der Herzog willigte ein und ging stark beunruhigt zu Bett, umso mehr, als ihn ein Postskriptum bat, einige «seiner schönen Diamanten» mitzubringen.
    Gegen halb drei begab er sich in die Tuilerien, doch empfing Seine Majestät gerade den Botschafter von Österreich; ein Kämmerer hieß den Herzog in das kleine, dem Garten zugewandte Kabinett eintreten. Der Raum war leer und Karl von Este unterhielt sich so gut es ging damit, die antiken Bronzen und Medaillen zu betrachten, die in zwei hohe Vitrinen auslagen. Dennoch wurde ihm die Zeit lang, und er zog minütlich seine Uhr hervor.
    «Ach!, hab ich euch erwischt!», sagte der soeben eingetretene Kaiser in scherzhaftem Ton. Sogleich fragte er die beiden Vorzimmerlakaien, ob Herr Babinet 100 noch nicht eingetroffen sei, dann verbat er sich jegliche Störung, außer um ihm unverzüglich das Eintreffen des Gelehrten zu melden; daraufhin verriegelte er die Tür.
    «Aber, Sire! Was ist denn vorgefallen?», fragte der Herzog erstaunt.
    Da nahm ihn Seine Majestät beim Arm, führte ihn vor eine Ansammlung von Kupfergeräten und Glasgefäßen auf einem kleinen Tisch und sagte ihm, dass er ihn, auch auf die Gefahr, ihn zu langweilen, an einigen erstaunlichen Experimenten teilhaben lassen wolle, die sich mit dem Färben von Diamanten befassten; Herr Babinet selbst habe ihn dazu angeregt und den Namen Seiner Hoheit genannt als einen der besten Kenner von Edelsteinen und als eine der Personen, die sich überaus für solche Fragen interessierten; wie man sich denken kann, erging sich der Herzog hierauf in Dankesbezeugungen. Dann betrachteten beide die für diesen Zweck bestimmten Steine der Krone, die Napoleon in einigen kleinen Schatullen aus der Tasche zog. Er verteilte sie nach und nach inmitten all der Papiere und Atlanten, den Modellen von Kanonenbooten und Infanteriebeuteln auf dem Schreibtisch; dann fragte er plötzlich und übergangslos mit belegter Stimme: «Habt Ihr viele Verwandte, Monseigneur?»
    «Ach, Sire!», rief der Herzog aus. «Würden sie doch alle in der finstersten Hölle schmoren!»
    Seine Hoheit strich sich über den Schnurrbart, als wäre er etwas verwundert über diese Lobrede, und wirkte dabei so kalt und bedeutungsschwer, dass der arme Herzog erblasste.
    «Was ist denn geschehen, Sire! Sprechen Sie! Sprechen Sie! Ich kann alles verwinden.»
    Bei diesen Worten wies ihm der Kaiser einen Sessel an, und während er sich dem Herzog gegenüber an seinen Schreibtisch setzte, schickte er voraus, dass dieser mächtige

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