Goetterdaemmerung - Roman
gemeldet worden. Nachdem die Chose nun ausgesprochen war, ging Seine Majestät zur Tür, begrüßte ihn laut auf der Schwelle; die ersten Augenblicke vergingen mit Respektbezeugungen und Grußworten des Gelehrten. Dessen Rücken war stark gekrümmt, er hatte schneeweißes Haar, einen großen Kopf und trug eine erlesene perlgraue Hose; er kam von Ihrer Majestät, der Kaiserin … – «Ich bin gleich für Sie da, einen Augenblick noch!», erwiderte der Kaiser; und während er Karl von Este zur Seite zog, kam er wieder auf das Thema zurück und fragte ihn kaum vernehmlich, was er zu tun gedenke.
«Sire!», sagte der Herzog. «Ich habe eine Lösung. Aus meiner Vormundschaft habe ich noch einige Dokumente, die meinen lieben Onkel durchaus in Verlegenheit bringen könnten, und da ich dazu gezwungen bin, werde ich sie einsetzen. Franz V. belangt mich in Paris, ich werde ihn in Florenz verurteilen lassen.»
«Es wäre klüger, nicht zu klagen, Monseigneur, glaubt mir», wiederholte der Kaiser.
Und nachdem er mit diesen recht nachdrücklich gesprochenen Worten Karl von Este zum Schweigen gebracht hatte, zog ihn der Kaiser in einen Erker, in dem er ihm fast zehn Minuten lang darlegte, wie unschicklich und gefährlich ein solcher Prozess wäre. Davon ausgehend gelangte der Kaiser, wobei er sich dem Ohr Seiner Hoheit noch weiter näherte, zweifelsohne zu den politischen und vertraulichen Erwägungen und entwickelte sie ausführlich. Karl von Este presste die Nase gegen die Scheibe, durch die man unten die Wache mit ihrer Fellmütze auf und ab gehen sah, die Jagdgöttin Diana fast gegenüber und dahinter die grünen Bäume der Tuilerien; er wechselte minütlich die Haltung wie jemand, der wütend ist, aber nichts zu erwidern wagt; und so hörte man in dem sonnendurchfluteten Zimmer kein anderes Geräusch als dieses leise Flüstern und die gedämpften Schritte des Gelehrten, der begonnen hatte, seine Gerätschaften aufzubauen.
«Nicht klagen!», sagte der Herzog plötzlich mit lauter Stimme.
Dann, nach kurzem Innehalten, hob er den Kopf und fragte seufzend: «Was dann tun?»
«Was tun?», fragte der Kaiser. «Es gibt nur eines, einen Vergleich schließen.»
«Ein Vergleich!», wiederholte Seine Hoheit äußerst verbittert.
«Der Herzog von Modena ist in Rom», fuhr Seine Majestät fort, «schickt ihm einen Unterhändler, dem ihr vertraut; dieser wird dem geizigen Herzog Angst einjagen, indem er ihm mit einem Prozess droht, und wenn die Papiere, von denen ihr mir erzählt habt, wirklich von Bedeutung sind …»
«Gewiss!», unterbrach der Herzog.
«Na gut! Dann wird der gute Mann nur allzu glücklich sein und nie mehr etwas von seiner Forderung verlauten lassen, vorausgesetzt, dass Ihr Eurerseits darauf verzichtet, ihn zu drangsalieren.»
Da Karl von Este nicht antwortete, fügte der Kaiser hinzu: «Überlegt es Euch! Nehmt Euch Zeit; teilt mir Eure Antwort später mit.»
Daraufhin gingen sie zu Herrn Babinet zurück; und Seine Majestät stand, den Herzog im Gefolge, einige Zeit da und betrachtete die Dampfmaschine, die der Gelehrte in Gang gesetzt hatte. Der Herzog unterbrach schließlich die Stille mit der Frage, ob ein Gemälde von Karl Muller 101 , eine Jungfrau Maria, die rechts neben der Bibliothek hing, nicht ein Raffael sei? Man sprach von verschiedenen bedeutungslosen Dingen und kam schließlich zu Hofanekdoten; und Seine Majestät schickte sich aufgeräumt an, den Gelehrten nach Neuigkeiten vom Empfang der Akademie 102 zu fragen, der am Vorabend stattgefunden hatte. Doch Herr Babinet erklärte fröhlich, dass er nicht in den Saal gelangen konnte, so unvorstellbar zahlreich sei die Presse dort gewesen.
«Und hat man viel Schlechtes über mich gesagt?», fragte der Kaiser nun mit einem leichten Lächeln.
Worauf der Gelehrte mit gesetzter und bescheidener Stimme, die seine Freude an ausgeklügelten Bemerkungen verriet, erwiderte, dass sich die Orleanisten über den Marquis von Mascarille 103 empörten (der bekanntlich die römische Geschichte in Madrigale setzen wollte), doch dass diese Herren Mühe hatten, sie in Epigramme zu verwandeln; – und bei dieser Anspielung auf die Rede des neu aufgenommenen académicien 104 , der mit seinen Ausführungen über die Cäsaren vor allem Napoleon kritisiert hatte, musste Seine Majestät lächeln.
Der erste Versuch war kurz. Unter Einwirkung elektrischen Stroms erstrahlten die Diamanten und schillerten in tausend bunten Feuern, während Herr Babinet von einem Thema zum
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