Goetterdaemmerung - Roman
wettete noch am selben Abend, dass er auf seiner Lieblingsstute Bellua binnen dreizehn Tagen von Paris nach Wien reiten werde. Er bestieg zur vereinbarten Stunde sein Pferd und eine Gruppe Freunde begleitete ihn bis zur Barrière du Trône 109 . Dort ließ er die Zügel schleifen und entfernte sich im Galopp.
VII
Am einundvierzigsten Tag nach seiner Ankunft in Rom, einem Dienstag und dem Namenstag des heiligen Viktor, zu dessen Ehren gerade die Glocken in der Ferne läuteten, schreckte Arcangeli aus dem Schlaf hoch und sah zur selben Zeit Emilia die Jalousien ihrer jämmerlichen Wohnung öffnen und einen blau gekleideten Boten des «Hotels Manni», der mit einem Brief in der Hand vor ihm stand. Eine nächtens eingetroffene Depesche Karls von Este an Graf Franz bestimmte, Giovan möge Rom sogleich verlassen und auf dem schnellsten Weg nach Paris zurückkehren.
Er stand in seinem Bett und rief: «Viva Garibaldi!» Die Ächtung hatte ein Ende, er war gerettet, wiederauferstanden, aus tiefster Finsternis zurückgekehrt. Die Cucurani hatte richtig vorhergesagt, dass er nicht in Ungnade verkümmern werde – «du erinnerst dich doch daran, sorella ». Während Giovanni, den Fuß gegen die Wand gestützt, ungestüm seine Schuhe polierte, spielten sich nun die beiden die Bälle zu und zählten die erstaunlichen Vorhersagen der Hexe auf: wie sie kleinste Details genannt hatte, den Tag, die genaue Uhrzeit, die Stelle am Campo di Fiori, an dem Franz eine Woche nach seiner Ankunft Emilia getroffen hatte, sein Schweigen, die folgenden Tage und seine allmählich zurückkehrende Liebe, seine Versuche, bei ihr wieder vorgelassen zu werden, im Grunde alles, bis hin zu den Worten, mit denen der Galan Giovan angefleht hatte, er solle zu seiner Schwester zu ihrer alten mamaccia ziehen und dadurch näher bei ihr sein, um ihn in seiner Leidenschaft zu unterstützen.
«Ach, gütige Jungfrau!», sagte die junge Frau und brach plötzlich in Tränen aus. «Jetzt bleibe ich allein zurück, du verlässt mich … Huhuhu! Ich bin ja so unglücklich!»
«Nicht doch, Dummerchen!», erwiderte er lebhaft. «Sie wissen nur zu gut, dass alles vorbereitet ist und unsere geneigten Freunde Giovan nicht mehr brauchen, um diese Farce zu Ende zu spielen.»
Das entsprach sehr wohl der Wahrheit. Der Anblick von Emilias Rock an einer Straßenecke hatte genügt, um den jungen Mann aus dem Gleichgewicht zu bringen. Solange man eine Leidenschaft nicht vollständig ausgemerzt hat, erwacht sie immer wieder neu; Franz war nicht nachtragend, und gleich einer Taube, die es müde ist, herumzufliegen und gelegentlich Gefälligkeiten zu erhaschen, vergaß er seinen früheren Kummer und fand nicht einmal Emilias Anwesenheit in Rom verdächtig, sobald er insgeheim wieder hoffen durfte, sie würde erneut seine Mätresse. Zunächst war es nur ein harmloser Gedanke, dann eine lebhafte Vorstellung, schließlich ein unaufhörlich wachsendes Begehren, das ihn bald Tag und Nacht beschäftigte. Die Verhandlungen gingen nur langsam voran. Napoleon wirkte über die Römische Kurie auf Franz V. ein; und der bedauernswerte, zur Tatenlosigkeit verdammte Graf verging in der Hitze vor Langeweile. Schmutzige Straßen, eine heftige Sonnenglut, Nächte voller Stechmücken und Wanzen, derbe Einheimische, die sich gegen die Hauswände erleichterten, und ein abscheulicher Ölgeschmack in den ihm kredenzten Speisen, so sah Franz diese allseits gepriesene Stadt, in der er alles unangenehm und lächerlich fand: die Sitten, die Fahnen, die Kleidung – bis hin zum Kolosseum, das ihm «kleiner» schien, als er es sich vorgestellt hatte. Sein einziger Hoffnungsschimmer waren Giovans lange Besuche, doch gab sich dieser Giovan düster und ernst, wischte sich trübsinnig über die Stirn. Er war zurückgewiesen worden; weshalb also noch länger insistieren? Die Unglückliche hatte ein gebrochenes Herz … Hierauf folgte bedrückendes Schweigen, eine stetig zunehmende Niedergeschlagenheit, wiederholtes Gähnen, bis der Italiener endgültig aufstand, um sich zurückzuziehen, und ihm der Graf einen neuen Liebesbrief für Emilia hinhielt oder sich aber mit ihm für den nächsten Vormittag in irgendeinem Park oder einer Kirche verabredete – und nun sollte sich dieser früher so muntere, so stolze Mann nach Paris aufmachen!
An jenem Tag, als Franz ganz bewegt die Stufen von San Clemente hinabschritt, sah er den Narren von Weitem, kniend, umgeben von im Dreieck aufgestellten Wachskerzen, von denen er
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