Goetterdaemmerung - Roman
nächsten sprang und alles erklärte, ohne dass ein einziges Wort akademischer Pedanterie angeklungen wäre. Die beiden Herrscher verstanden und fanden insgeheim Gefallen daran, sodass Karl von Este den Physiker schließlich sogar fragte: «Wird es der Wissenschaft einmal gelingen, Diamanten herzustellen?»
Herr Babinet konnte den Herzog beruhigen; und während er die Vorhänge wieder mit ihren Raffhaltern aus grünem Samt versah, sagte er in Abwandlung des Wortes von Fontenelle: «Hätte ich diese Wahrheit in den Händen, würde ich mich hüten, sie zu öffnen.» 105
Kurz herrschte Stille, dann ließ der Kaiser den Blick über die Schmelztiegel, Öfen und all die Gerätschaften schweifen, die Herr Babinet für die gleich folgenden Versuche aufbaute, und schlug dem Herzog vor, ihn einstweilen in sein Hinterzimmer zu begleiten. In dieser Kammer, in der mit Mühe vier oder fünf Leute Platz fanden, hatte Napoleon einen Schreibtisch, Sitzgelegenheiten und Bücher, und sie war nur seinen engsten Vertrauten bekannt, sagte er Karl von Este. An der Wand hingen zwei Miniaturen von Isabey 106 : Die eine zeigte Königin Hortense 107 mit fünfzehn Jahren, blond, lächelnd, mit blauen Augen; und neben ihr Prinz Eugène 108 , pausbäckig und mit krausem Haar, dem Herzog Karl, wie er versicherte, in seiner Jugend sehr ähnlich sah. Daraufhin sagte Seine Majestät mit dumpfer Stimme: «Ich war voller aufrichtiger Anteilnahme, Monseigneur, bei dem grausamen Verlust, den Ihr kürzlich erfahren habt.»
Der Herzog zögerte kurz: Dann, als ihm einfiel, dass wohl Hans Ulrich gemeint sei, murmelte er die Worte «schreckliches Unglück», denn um den Selbstmord nicht einzugestehen, hatte man verbreitet, der Tod des Grafen sei ein Unfall beim Reinigen seiner Pistolen gewesen.
«Ihnen bleiben zwei Söhne», fuhr Seine Majestät fort.
«Ja, Sire!»
«Ich bedaure sehr», sagte der Kaiser, der nach einer grauen Papierhülle in einem Geheimfach seines Schreibtischs griff, «dass ich mich bei Euch über einen von ihnen beklagen muss; doch sehen Sie selbst, Monseigneur, gäbe es in diesem Fall eine andere Möglichkeit?»
Es war eine Polizeinotiz, Graf Otto betreffend, die Karl von Este kurz überflog. Darin hieß es, sein Sohn werde bezichtigt oder doch zumindest stark verdächtigt, er habe eine Kurtisane, bei der auf höchst eigenartige Weise ein Feuer ausgebrochen war, während eines grausamen Spiels bei lebendigem Leib verbrennen lassen. Darüber hinaus enthielt der unheilvolle Bericht eine Überfülle an Details über Ottos Grausamkeit und seine unerhörten Ausschweifungen, dass Seine Hoheit sichtlich betroffen war, während der Kaiser mit seiner belegten Stimme sagte: «Graf Otto ist hochwohlgeboren, Monseigneur, doch wurde er schlecht erzogen.»
«Oh! Sire», rief der Herzog aus. «Mein Sohn und ich haben so viele Feinde!»
«Es käme dennoch gelegen», fuhr Napoleon behutsam fort, «wenn Graf Otto auf Reisen ginge und sich für einige Zeit von hier entfernte»; sodann, als der Herzog anscheinend darüber diskutieren wollte, unterband Seine Majestät dies augenblicklich und erklärte in herrischem Ton, dass Otto es seiner Geburt schuldig gewesen wäre, sich selbst mehr Respekt entgegenzubringen, dass man, nur weil er der Sohn Seiner Hoheit sei, ein Auge zugedrückt habe, dass der Skandal seines Betragens sich nicht länger mit seinem Namen und seinem Rang aus der Welt schaffen lasse, langer Rede kurzer Sinn, der Graf müsse verreisen.
«Gut, Sire, ich werde gehorchen», sagte Herzog Karl knapp. «Oder vielmehr», fuhr er nach einem Wink des Kaisers fort, «werde ich die beiden Ratschläge befolgen, die Eure Majestät mir freundlicherweise gegeben haben.»
Drei Tage später brach Graf Franz nach Italien auf. Der Herzog, dem es ansonsten fernlag, seine Blutsverwandten mit Missionen zu betrauen, hatte keinen anderen Botschafter gefunden. Arcangeli war einer Situation überdrüssig, in der ihn unbedeutende Tätigkeiten beschäftigten, als wäre er an den Haaren aufgehängt, aber ohne je einen Fuß auf den Boden zu bekommen, und dabei stand er immer kurz vor der Ungnade, sodass er darum bat, den Grafen als Dolmetscher begleiten zu dürfen, womit Seine Hoheit einverstanden war, um den Italiener nicht länger sehen zu müssen. Am Tag nach ihrer Abreise folgte ihnen Emilia mit dem Zug nach Lyon. Am selben Tag ging auch Graf Otto fort, dem sein Vater den Willen des Kaisers mitgeteilt hatte. Er nahm diesen Befehl unbekümmert hin und
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