Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goetterdaemmerung - Roman

Goetterdaemmerung - Roman

Titel: Goetterdaemmerung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: El mir Bourges
Vom Netzwerk:
Buchengrüppchen. Dann machten der Pater oder die Prinzessin da weiter, wo sie am vorigen Abend mit dem Vorlesen aufgehört hatten: «Meine fünfzig Gründe, um zur Religion meiner Vorfahren zurückzukehren», das war die berühmte Apologie, die Kurfürst Anton Ulrich von Blankenburg veröffentlicht hatte, nachdem er der Reformation abgeschworen hatte. Christiane versuchte zu verstehen, doch ihr Herz entzog sich. Ulrich!, sie sah ihn überall, wurde überall an ihn erinnert; ihre hungrige Seele erfasste die kleinste, auch nur angedeutete Ähnlichkeit. So hatte er die Hände gehalten, so waren seine Blicke gewesen. Wo war er nur hingegangen, der Bruder, der aufopferungsvolle Freund? Warum hatte er sie verlassen? Die Welt schien ihr undurchschaubar und hinter dichtem Rauch verborgen; die Dinge zogen an ihrem Verstand vorüber, wie schlammiges, trübes Wasser … Der Abend brach herein; in einer benachbarten Kapelle war das «Angelus» zu hören:
    «Gegrüßet seist Du, Maria, voll der Gnade …»
    Und Christiane bekreuzigte sich und antwortete gemeinsam mit der Prinzessin. Was bedeuteten ihr schon all diese Gepflogenheiten, die Rosenkränze, die Kreuze, die Medaillons, die sie demütig hinnahm! Die drei gingen schweigend zum Palais zurück, Christiane allein vor den anderen. Sie spürte, wie dieser Tote, dessen Hände ihr Herz umklammerten, sich zu dieser Stunde noch schmerzlicher in ihrem Busen regte. «Ja, ich höre dich! Ich höre dich! Ich höre dich, arme Seele! Beruhige dich, verzeih mir», und in diesen herzzerreißenden Erinnerungen ging ihre Seele gänzlich auf …
    Unterdessen näherte sich der Tag, den Herr Felix für die Lieferung der Büsten des Herzogs angegeben hatte. Karl von Este machte sich auf, um das Ergebnis im Laden des Emailleurs zu besichtigen; und da er im Palais so lange auf seinem Kanapee und seinen Kissen verkommen war, geriet ihm dieser Besuch zu einem richtigen Abenteuer, über den er sich freute wie ein Kind. Am Abend zuvor stellte er sich eine Garderobe zusammen: einen grünen Paletot, lila Handschuhe und eine passende Krawatte, zahlreiche Ringe und Schmuckstücke mit dem Großkreuz seines Standes; und als dann endlich dieser famose Tag anbrach, war es für Giovan und Herrn Felix keine leichte Aufgabe, ihn nach seinen Wünschen herzurichten. Vor lauter Ungeduld hielt es Karl von Este nicht an seinem Platz; er murrte, hetzte seine Leute. Es fehlte nicht viel, und die dreißig Radumdrehungen, derer es von seiner Wohnung bis zu dem Friseur mitten auf den Champs-Élysée bedurfte, wären ihm endlos erschienen.
    «Was hat mir eigentlich», sagte der Herzog, als er die breite, mit Blumen und Statuen geschmückte Treppe hinaufstieg, «gerade der gute d’Andonville zugenuschelt?»
    «Er hat Eurer Hoheit einen Brief von Graf François gebracht», antwortete der Italiener, dessen Herz nun recht stark klopfte; dann, im selben Augenblick, in dem Karl von Este die Tür durchschritten hatte, verschwanden der Emailleur und Giovan unauffällig, und als sich der Herzog umdrehte, fand er sich allein in einem verlassenen Salon wieder.
    Nun vernahm er ein Geräusch, ein Husten und ein Stoffrascheln, und zugleich trat Lyonnette hinter einem Wandschirm hervor. Die Stille und ein Gefühl der Verlegenheit währten bei beiden mindestens eine Minute lang. Sie trug eine charmante, wenn auch fantasievolle und außergewöhnliche Jacke aus türkisfarbenem, geprägtem Samt, einen Rock aus blassgrünem Satin, der mit Blumen aus grünbraunem Velours bestickt war, und an den Ohren trug sie zwei schlagende, haselnussgroße Uhren, die ein fürstliches Geschenk waren, das der Herzog schon früher einmal geschickt hatte. Er bemerkte wohl, dass sie diese trug, und fragte mit unsicherer Stimme: «Herr Felix hat also mit Ihnen gesprochen, gnädiges Fräulein?»
    «Ja, Monsieur», antwortete Lyonnette, und dann, sich verbessernd: «Ja, Monseigneur», und bei sich, ganz leise, fügte Lyonnette hinzu: «Ja, du Bratapfelgesicht.»
    «Hoho, wo zum Teufel sind denn nun meine Büsten?», sagte Karl von Este, um nicht konsterniert zu wirken; und dann begann er, mit hochgerecktem Kopf im Zimmer umherzugehen.
    Siebzehn große, doppeltürige, weiß und golden lackierte Wandschränke, die noch dazu mit vergoldetem Schnitzwerk verziert waren, erstreckten sich über die vier Seiten des Raums; die ovale Kassettendecke war mit Flachreliefs, Gemälden und verschiedenen Sinnbildern geschmückt, die mit Herrn Felix’ Handwerk zu tun hatten.

Weitere Kostenlose Bücher