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Goetterdaemmerung - Roman

Goetterdaemmerung - Roman

Titel: Goetterdaemmerung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: El mir Bourges
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vorgestellt hatte. Sie saß nur mit einem Lakaien in einem Wagen mit einem malvenfarbenen Satinklappverdeck, den drei kleine Ponys zogen, die mit Silber, Rosetten und Quasten ausstaffiert waren und die sie im schnellen Trab laufen ließ. Als sie vorbeikam, zog Herzog Karl seine Pelzkappe und hielt sie neben sein Ohr. Sie sah unter ihrem großen, federgeschmückten Musselinhut hervor, deutete einen Knicks an, der von einem charmanten Lächeln begleitet wurde, und verschwand so schnell wie der Wind, während Karl von Este fragte: «Wo zum Teufel hat mein werter Hofnarr eine so hübsche Frau gefunden?»
    «Ja! Sie ist entzückend, wirklich entzückend», sagte Giulia hinter ihm, «Eure Hoheit haben völlig recht.»
    Karl von Este wandte sich um; sie sprach mit großer Gelassenheit, stand kerzengerade und mit verschränkten Händen da und lächelte so sonderbar, dass der arme Herzog errötete und ganz aus der Fassung geriet. Der überwältigende Abendhimmel leuchtete gelb und grün; Giulia stützte sich auf die Balustrade und sah durch die sich an jedem Ende erhebenden Pfeiler aus blutrotem Marmor in die Ferne. War ihre Ruhe nur vorgetäuscht? Verbarg sie eine düstere Seele unter dem friedvollen und sanften Gesicht, oder aber verfolgte sie, mittlerweile wirklich gleichgültig gegenüber dieser neuen Laune ihres Herrn, ein geheimnisvolles Ziel, das später aufgedeckt würde? Als offizielle Geliebte von Herzog Karl war sie ja hoch aufgestiegen, und mit ein wenig Geduld konnte sie noch vieles erhoffen; doch wenn die Ehrgeizigen die ersehntesten und sogar die unverhofftesten Gipfel erst einmal erreicht haben, setzen sie sich sogleich neue Ziele, um weiter nach oben zu gelangen. Vielleicht schien Giulia, angesichts des Alters des Herzogs und seines ganzen Fetts, eine solche Grundlage als zu riskant, um ihr ganzes Schicksal darauf zu setzen. Vielleicht hatte sie in diesem ausgefüllten, so blühenden und luxuriösen Leben den Tod gerochen und versuchte schon, sich daraus zurückzuziehen … Doch niemand kennt und niemand wird je die geheimsten und im tiefsten dieses Herzens verborgenen Gedanken benennen können, außer der Fürst der Finsternis, dem sie eine würdige Tochter war, und Dem, Der sie gerichtet hat, wohin sie Seine Gerechtigkeit oder Seine Barmherzigkeit auch gebracht haben mag!
    Der September war wunderbar in jenem Jahr; ein klarer Himmel, schönster Sonnenschein, erquickliche Temperaturen. Deshalb veranlasste der Herzog, dass man die Terrasse auf chinesische Art mit Porzellan und Laternen dekorierte; und ohne Aufhebens darum zu machen, kam er jeden Tag, um Lyonnette vorbeifahren zu sehen, die ebenso wenig wie er dieses unausgesprochene und stets pünktliche Rendezvous versäumte.
    Von der Straße aus sah man Seine Hoheit und seine beiden Lakaien sitzen, wie sie hoch in den Lüften, zwischen Blumenkübeln, Kissen, Sofas, rot und gold lackierten Möbeln tranken und aßen. Die traurige Christiane und Frau Sophie fühlten sich von dem schallenden Gelächter belästigt und hatten ans andere Ende des Gartens flüchten müssen, ins sogenannte «Wäldchen» – ein feuchter Buchenhain, der zum Teil in Anlehnung an das berühmte Labyrinth von Wendessen angelegt und bepflanzt worden war.
    Die beiden irrten dort in Gesellschaft von Pater Le Charmel inmitten von Arkaden, Kreuzgängen und Laubhäuschen herum, spazierten durch verlassene Säulenhallen, bogen in dunkle Kolonnaden ein und umrundeten düstere Bassins, die von starren Zypressen verdunkelt wurden, in denen Nymphen auf schweigenden Delfinen schliefen. Religiöse Fragen und strittige Themen wurden nur kurz erörtert, wiewohl der Pater und die Prinzessin nicht mehr verbargen, dass sie Christiane bekehren wollten. Aber der berühmte Dominikaner kannte nicht nur die Heiligen, sondern auch die Menschen. Recht anders als Frau Sophie, deren äußerste Elevation und Spiritualität einem bisweilen den Atem nahm, drängte der Pater Christiane unaufhörlich mit irdischen Dingen himmelwärts; eine Blume, ein Baum, ein Sperling lieferten ihm Gesprächsstoff, um Herzen anzurühren. Christiane nickte zustimmend mit dem Kopf: «Ja, mein Vater» oder auch: «Ja, meine Tante», wobei sie versuchte, diesen beiden schwarz gewandeten Gespenstern ein Gesicht voller Heiterkeit zu zeigen. So wandelten sie über die grünen und veschimmelten Wege, bis sie schließlich an einer dieser riesigen Vasen innehielten, die auf Sockeln standen, oder aber an einer Steinbank vor einem

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