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Goetterdaemmerung - Roman

Goetterdaemmerung - Roman

Titel: Goetterdaemmerung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: El mir Bourges
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Giulias Zimmer. Der Türvorhang war beiseitegeschoben, die Reste des erlöschenden Kaminfeuers erleuchteten Wände und Zimmerdecke mit dem Purpurrot einer reglosen Glut; und der junge Mann, der auf der Schwelle stehen geblieben war, geriet über dem fahlen, sich herabsenkenden Abend, dem schwarzen Blätterwerk des Gartens und den im Dunkeln fast nicht zu unterscheidenden Möbeln in eine solche Verzückung, dass es ihm gar nicht in den Sinn kam, weiterzugehen.
    Plötzlich bemerkte er die bäuchlings auf dem Bett ausgestreckte Giulia, und die grauenerregenden Seufzer, die sie von Zeit zu Zeit ausstieß, machten die dazwischenliegende Stille nur umso düsterer und rätselhafter. «Ach! Ich würde am liebsten sterben!», sagte sie halblaut. Otto standen die Haare zu Berge, und bestürzt, die Augen starr geradeaus gerichtet und vor Schreck keine Bewegung wagend, hörte er, wie sein trauriges Herz mit heftigen Schlägen gegen seine Brust pochte. Nach einer Weile stützte sie sich auf ihre Ellbogen und schien mit jemandem zu sprechen: «Halte mich nicht für kühl!», sagte Giulia – und fiel zurück aufs Bett.
    Eine unsagbare Traurigkeit ergriff und durchdrang Otto ganz und gar, sodass er lange Zeit wie atemlos an dieser Stelle verharrte. Galt dieses sonderbar klagende Seufzen ihm? – Ach! Kühl, o weh! Er fühlte wohl, dass sie das keineswegs war, sondern begierig nach neuen, ungekannten, heftigen, übermenschlichen Gefühlen, die die Leidenschaft ihr kaum verschaffte. Was also verbarg sie in dieser ünergründlichen Tiefe ihres Herzens? War sie nicht ebenso wie andere Frauen dazu bestimmt, den großen Schatz der Liebe zu besitzen, und konnte sie sich, stöhnend über ihr Leid, voller Abscheu über ihre Leere und Niedergeschlagenheit, nicht trotzdem darüber hinwegsetzen und erheben durch die Kraft ihres Verlangens und sich in dem Unendlichen, das sie anzog, verlieren …? Wer würde das je wissen? Wer könnte ihm je das Geheimnis dieser dunklen Seele enthüllen …?
    Mehr als je zuvor verzehrte ihn die Glut, sie zu besitzen, ins Innerste dieses ihm verschlossenen Busens einzudringen, und da er unter seinen Händen nur den Körper der Belcredi hatte, um dieses brennende Verlangen zu stillen, begann er, verbotene Freuden zu fordern und in allen Überschreitungen fleischlicher Wonnen diese letzte Vollendung der Liebe zu suchen, die er um jeden Preis erleben wollte. Zunächst geschah es als zarte und kaum wahrnehmbare Verlockung, um jedes Mal einen größeren Liebesbeweis zu erhalten, und nicht ohne Röte, die ihm in manchen Momenten auf die Stirn stieg; doch schluckt man als Liebhaber die Scham schnell hinunter – sodass sich die beiden Liebenden, nach und nach von frivolen Flammen verbrannt, von den unreinen Gespenstern bereits genossener Freuden heimgesucht und trunken von ihren Begierden wie von einem berauschenden und enthemmenden Wein, schließlich einer Brunst und solchen Ausschweifungen hingaben, wie sie selbst die Verworfensten hätten schaudern lassen.
    Sie erwies sich als nachgiebig, sogar wissend, gleichgültig, und empfing seine Anbetung wie eine Königin und zugleich wie eine Kurtisane. Weiß und nackt, mit Parfüm eingerieben, grausig im Kerzenlicht mit ihrer Schminke und ihren bemalten Lidern, deren schamlose Raffinesse die Begierden des jungen Mannes entfachten, stellte die Belcredi ihren lüsternen und prächtigen Körper auf dem Bett zur Schau, während Otto, halb besinnungslos, stöhnend, die Augen voller leuchtender Visionen, von allen Geheimnissen der Ausschweifung die ungeheuerlichsten forderte, auf dass seine Seele gesättigt und vom Übermaß seiner Lust gleichsam verschlungen werde. Seine Knochen jauchzten vor Freude, das Herz pochte ihm in der Brust wie der Flügelschlag eines Adlers; für einen Atemzug und einen Augenblick fand seine Leidenschaft endlich ihre vollständige Erfüllung. Ach! Altes Götzenbild der Liebe, es ist doch gleichgültig, wie man dich anbetet! In den Verwirrungen des Körpers handelt doch immer unsere Seele, und getrieben von dem Verlangen, in die Unendlichkeit einzugehen, zieht sie ihren elenden Gefährten von Morast zu Morast.
    War die Erregung jedoch verklungen, so war sein Herz nicht länger von Glück erfüllt; die Liebesgier wütete noch genauso heftig in ihm. Nein! Die Lust füllte die ungeheure Leere nicht, die ihn von seiner Geliebten trennte. Er mochte sie noch so fest in seine Arme schließen, sie fast erdrücken, mit allen Sinnen und durch alle Ausschweifungen

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