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Goetterdaemmerung - Roman

Goetterdaemmerung - Roman

Titel: Goetterdaemmerung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: El mir Bourges
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Fontenay, wo es den ganzen Winter über frische Blumen gab, hatte sie ihm irgendetwas davon erzählt? Und was gab es Ärgerlicheres als diese ewigen Fragen, sobald er sich ihr näherte, ob er sich auch die Hände gut parfümiert, sich den Mund ausgespült habe …!
    «Hierher! Sitz, Turlu, sitz!»
    Und da er vor der Wand stand, hielt er plötzlich an, direkt vor einem Schränkchen, das mit tausenderlei Firlefanz gefüllt war, mit Schäferinnen aus Meißner Porzellan, die zu sammeln Giulia Spaß machte. «Sie ist es doch, die an Kinderkram Gefallen findet», dachte der junge Mann, «und nicht ich …»
    Und eine Woche lang bemühte er sich, sie vor seinem inneren Auge klein zu machen mittels des Kunstgriffs, ihr niedliche Beinamen zu geben und sie sich als kleines Mädchen vorzustellen. Die kurzen Tage, die neblige Jahreszeit über blieben sie in der Kaminecke, sie auf das Kanapee hingestreckt, unter einer dicken rosafarbenen, mit Skarabäen und Blumen bestickten chinesischen Seidendecke, während Otto zu ihren Füßen auf seinem Kissen saß. Vor allem hier sprach er auf eine spröde und gezwungene Art mit ihr, streute ab und zu eine zärtliche Bemerkung ein und verfiel dann wieder in Schweigen – bis schließlich, durchwärmt von den schönen Augen, die so viel Licht und Sanftheit über ihn ergossen, sein ganzer Groll dahinschmolz, sich seine geheimen Kümmernisse zerstreuten: «Ich liebe dich. Ich liebe dich, mein Herz!»
    Er fühlte sich erfasst und ergriffen wie von einer göttlichen Kraft. In der Zeit nach dem Abendessen pflegte Giulia gewissermaßen letzte Hand an die Erziehung des jungen Mannes zu legen; denn die Liebe, dieses große, aus der Innen- und Außenansicht geschriebene Buch, lehrt ebenso viele weltliche Angelegenheiten, wie sie über die Angelegenheiten des Herzens gebietet: Und so sah man Otto, der bis dahin so gewalttätig, stürmisch und erschreckend erschienen war, diesem Abgrund nach kurzer Zeit als gezähmter und geduldiger Geliebter entsteigen, der der Belcredi gehorchte. Da sie Parfüms liebte, brachte sie diese dem jungen Mann nahe, indem sie Flakons über seinen Händen und seinem Haar ausgoss; sie gewöhnte ihn an die erlesenste, ausführlichste Pflege seines Körpers. Ottos gelblicher Teint wurde heller, seine grünen Augen blickten weniger grimmig drein. Die innere Glorie des Liebens und Geliebtwerdens teilte sich seinem Äußeren als eine gewisse Aura der Anmut und Höflichkeit mit; und selbst der geringste Gunstbeweis seiner angebeteten Geliebten, die Neckerei Verliebter – wenn ihm die Sängerin zum Beispiel eine Rose oder eine Rispe weißen Flieders in den Kragen gleiten ließ und befahl, diese aus Liebe zu ihr den ganzen Tag lang unbedingt dort zu lassen – spiegelte sich sogleich als neuerlicher Abglanz von Freude und Leidenschaft auf Ottos ganzem Gesicht wider.
    An Allerseelen tobte ein so wütender Orkan, dass er das Obergeschoss eines dem Heim der Liebenden benachbarten Hauses zertrümmerte und den kleinen Garten mit abgebrochenen Ästchen zerborstener Bäume, Dachziegel- und Glassplittern übersäte. Otto und Giulia verbrachten den Abend damit, dem Sturm zuzuhören, während sie in zärtlicher Umarmung auf dem Bett lagen und sich einzig bewegten, um einander hin und wieder unter tiefem Aufseufzen fester zu umschlingen. «Teure, Teure», sagte er zu ihr inmitten der von einem Stövchen aufsteigenden Weihrauchschwaden, mit denen sie das Zimmer parfümierte, «wie ich dich liebe! Wie schön du bist …!» Und ganz von selbst schlossen sich seine Augen; er hätte blind und taub sein mögen, auf dass nichts sein Entzücken störe.
    Sie antwortete nur mit den von einem eigenartigen Lächeln begleiteten Worten: «Ich bin weniger schön als die Ondédei», womit sie wahrscheinlich irgendeine Rivalin ihrer Jugendzeit meinte.
    Ihre Worte verletzten ihn, er glaubte aus ihnen ein leichtfertiges Hinweggehen, gar etwas wie Spott über seine Bewunderung herauszuhören; und dies schüchterte ihn so ein, dass Otto von da an nicht mehr über ihre Schönheit sprach.
    Doch Sorge und Schwermut nagten an ihm, eine fortwährende Traurigkeit durchzog seine Tage; und trotz aller Geschäftigkeit, trotz seines unaufhörlichen Herumwanderns treppauf, treppab im Haus fand er nicht ein einziges Plätzchen, an dem er sich wohlfühlte. Die Fensterscheiben schimmerten wie Kristall, die Alleen im Garten waren so sauber, dass Giulia dort in Seidenpantoffeln spazieren ging, die glänzenden Möbel spiegelten

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