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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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haben. Und – möglichst behutsam – mit denen, die auf Zeus’ Seite stehen. Macht ihnen klar, dass wir im Begriff sind, unsere Existenzgrundlage zu verlieren … Nur hütet euch vor Ares und Poseidon. Die beiden anzusprechen ist ebenso gefährlich wie hoffnungslos.»
    «Man weiß ja nie.»
    «Doch.» Athene nickte entschieden. «In diesem Fall schon. Die beiden sind nicht mal helle genug, um auf eine plumpe List hereinzufallen. Da könntest du ebenso gut versuchen, einen Fluss zum Wechseln der Richtung zu bewegen. Aber Hephaistos sollte sich auf unsere Seite schlagen. Oder zumindest weiter aus allem heraushalten. Aphrodite ist unwichtig …»
    «Entschuldige», unterbrach Apollon seine Schwester. «Das sehe ich anders. Wenn sie und Eros losziehen und deinem auserwählten Sterblichen einen Pfeil verpassen, interessiert der sich garantiert nicht mehr für die Lösung irgendwelcher Probleme. Du weißt doch, was sie dann tun. Sie schlagen sich mit irgendwem ins nächste Gebüsch und vergessen die Welt um sich herum …»
    Wieder nickte die taktisch bewanderte Göttin der Weisheit.
    «Ja, du hast recht. Also sollten wir versuchen, auch Aphrodite und Eros für uns zu gewinnen.» Sie dachte kurz nach. «Doch, das ist gar nicht schlecht. Vielleicht können wir so auch Ares ablenken.»
    «Stimmt. Der ist
immer
scharf auf Aphrodite.»
    «Eben.»
    Hugins linkes Bein war kurz vor dem Einschlafen. Der Rabe schüttelte es, geriet dabei aus dem Gleichgewicht und flatterte mit kurzen Flügelschlägen auf einen tiefer gelegenen Ast. Die Köpfe der Verschwörer flogen herum.
    «Das ist doch …», sagte Athene fassungslos und stürzte zum Fuß des Baumes, wo noch immer Artemis’ Bogen und Pfeilköcher lagen.
    «Der Rabe des Asen», hängte Apollon verdutzt an.
    Hugin dachte «Oh, oh» und breitete ohne langes Zögern die Flügel aus. Er stürzte sich todesmutig von der Platane und flüchtete, Millimeter über der Grasnarbe dahinschießend, vom Grundstück der Griechen. Ein gut gezielter Pfeil verfehlte seinen Scheitel nur um Deckfederbreite und prallte von einem aus dem Gras ragenden Stein ab. Hugin schlug einige gewagte Lufthaken, riss den Schnabel unmittelbar vor einem Erdhügel in die Höhe, überschlug sich fast und stürzte dann, unter seinem schwarzen Gefieder kreidebleich, hinunter in die Senke. Er hatte seinen Job noch nie so sehr gehasst wie in diesem Moment.
    Athene schleuderte den Bogen zornig zu Boden und fluchte nach Leibeskräften. Das hatte noch gefehlt. Jetzt würden also auch die widerwärtig primitiven Götter von gegenüber wissen, was sie plante. Die bescheuerten Metsäufer. Die unzurechnungsfähigen Zopfträger. Die Apfelfresser.
    Jetzt
? Erst jetzt? Sie wandte sich mit offenem Mund an Apollon.
    «Die Äpfel!», sagte sie.
    Apollon starrte sie an, als hätte sie den Verstand verloren.
    «Welche Äpfel?»
    «Die Äpfel! Meine Güte! Jetzt wird mir alles klar. Ich muss blind gewesen sein!» Athene schlug sich mit der flachen Hand vor die Beule und schrie kurz auf. Apollon runzelte irritiert die Stirn und sah sich nach einem geeigneten Fluchtweg um.
    «Verstehst du nicht?», fragte Athene und wartete Apollons Kopfschütteln gar nicht mehr ab. «Ich dachte, diese Äpfel, die seit kurzem in den Zeitlöchern auftauchen, wären Nebenprodukte der Blitzeinschläge, das Resultat von Energieüberschüssen oder so was … Aber das sind sie nicht.»
    «Sondern?»
    «Na, die Asen. Die Asen mischen mit, Apollon. Äpfel. Äpfel und Met. Verstehst du nicht?»
    «Ziemlich weit hergeholt, wenn du mich fragst.»
    «Ich bitte dich. Wer sonst sollte sich etwas so Phantasieloses einfallen lassen wie
Äpfel
? Mmmh? Sag doch selbst. Das
kann
nur diesen tumben Barbaren eingefallen sein. Die sind doch keinen Deut intelligenter als ihre Helme …» Wieder überlegte sie, und wieder sah Apollon sie skeptisch an.
    «Hast du die Sterblichen schon ausgewählt, die … äh … hierher …»
    Athene nickte und sah sich misstrauisch um. «Ja», sagte sie. «Eine Zufallsauswahl. Ein Wurm ist so gut wie der andere, da macht es keinen Unterschied …» Sie unterbrach sich kurz. «Aber nicht hier, wo die Bäume Ohren haben. Komm mit.» Sie hakte sich bei Apollon ein und zog ihn flüsternd mit sich.
    Einige Sekunden verstrichen – sofern man an diesem Ort überhaupt vom Verstreichen von Zeit sprechen kann. Luftblasen torkelten an die Oberfläche des Quellflusses und zerplatzten. Zuerst waren es nur wenige, wie von einer Kröte, dann

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