Götterdämmerung
dann irgendwelche Bücher oder die Mikrowelle nie da gewesen sind, kann uns das doch egal sein. Wir kommen doch auch so klar, oder nicht? Und dein Wissen, ich meine, alles Wichtige, hast du doch sowieso im Kopf …»
«Diana», sagte Erasmus und sah ihr tief in die dunklen Augen. «Es geht nicht nur um uns. Es sind schon sehr viele Menschen gestorben. Unschuldige Menschen.»
«Aber auch Schuldige …»
Erasmus überhörte den dürren Einwand. «Und wir», sagte er, «wir beide haben offenbar die Gelegenheit zu helfen. Das, was da eben auf deinem Bildschirm stand, war ein Zeichen. Wir müssen es zumindest versuchen …»
«O Gott», stöhnte Diana.
«Ich weiß nicht», raunte Erasmus nachdenklich.
«Norwegen?», fragte Diana hoffnungsvoll.
«Vielleicht ist das, was wir gerade erleben, der Jüngste Tag. Armageddon …» Murmelnd schlurfte er zu einem der Bücherberge. «Eine Art … Ragnarök.»
«Gesundheit», sagte Diana.
«Danke», erwiderte Erasmus fahrig und kratzte sich am Hinterkopf. Weshalb, fragte er sich, war diese Schrift auf dem Schirm erschienen? Wenn es nicht göttlicher Wille war, dass die Welt in Schutt und Asche versank, damit eine neue, bessere aus den Trümmern erstehen konnte, weshalb dann dieser Hinweis? Es hätte doch einfach aufhören können. Es – ja, wenn es eines Gottes Wille wäre, aber es waren ja viele. Millionen. Unzählige.
Er sah auf. «Sie sind sich nicht einig!»
«Aha.»
«Verstehst du? Sie streiten sich!»
«Die Götter?»
«Ja.»
«Ach so. Toll.»
Erasmus kam zurück und ging vor Diana in die Knie. «Weißt du, wo unsere Koffer sind?»
«Ja, das weiß ich … Und du möchtest ganz bestimmt nicht nach Norwegen? Oder Schweden? Schweden ist auch hübsch, hab ich gehört …»
Erasmus schüttelte den Kopf. «Nein. Aber du musst mich nicht begleiten, Diana. Ich verstehe …»
«Kommt überhaupt nicht in Frage.» Jetzt war sie an der Reihe, den Kopf zu schütteln. «Nichts zu machen. Ich gehe dorthin, wo du hingehst. Ich möchte nicht, dass du dich verirrst oder versehentlich aufgespießt wirst oder sonst was, Erasmus Weinberger. Und wenn das bedeutet, dass ich mich zwischen Götter stellen muss, die sich in der Wolle haben, dann … dann mache ich das eben. So.» Sie ergriff seinen Kopf mit beiden Händen, starrte ihn kurz an, drückte ihm einen entschlossenen Kuss auf die Lippen und erhob sich ruckartig. «Weil ich dich nämlich liebe. Damit du’s weißt!»
Und mit diesen Worten rauschte sie stolz an dem Knienden vorbei und über die knarrenden Stufen hinauf in den ersten Stock, ohne sich noch einmal umzusehen. Erasmus saß zwischen den wogenden Bücherstapeln auf dem Holzboden und lächelte abwesend.
Zu seinem Glück war kein Arzt in der Nähe.
9
Krähen kreisten lärmend durch den windigen Morgenhimmel über Camelot. Weit unter ihnen, im Hof der königlichen Festung, bestiegen fünf gutgerüstete Reiter ihre Schlachtpferde und wiesen schmächtige Knappen an, ihnen die Zügel der weniger eleganten Packtiere zu reichen. König Artus’ behandschuhte Rechte senkte sich auf Gwydiots Schulterblatt und blieb bleischwer liegen.
«Wohlan», sagte er mit fester Stimme, «fahre hin, Magier, und möge Gott der Herr dir beistehen. Möge er dich und deine Begleiter unversehrt ans Ziel geleiten und euch die Kraft verleihen, allen Aufgaben zu trotzen.»
«Möge Euer Wort in Seine Gehörgänge dringen», raunte Gwydiot zurück.
Die bleischwere Hand zog sich zurück und sank wieder an Artus’ Seite. Der König trat einen Schritt zurück und ließ einen Blick über die Reitergruppe schweifen, die auf das Zeichen zum Aufbruch wartete. Auch Gwydiot wandte sich der Gruppe zu. Das war’s dann wohl. Mehr war dazu nicht zu sagen. Er betrachtete die Reiter. Außer einem waren sie alle unerfahrene Burschen, nicht kampferprobt, aber dafür umso motivierter. Die Ausnahme saß an der Spitze der Schar und bedachte den Magier mit einem Gesichtsausdruck, der für gewisse Mägde sicherlich unwiderstehlich war – aber nicht für Gwydiot. Er erwiderte Gawains Grinsen mit einem misslungenen Lächeln.
«Kommt Ihr, Magier?», rief der Ritter. «Spart Euch das Reden! Jetzt sind Taten gefragt, jetzt sollen die Schwerter sprechen, sollen Köpfe rollen!»
Gwydiot wandte sich ein letztes Mal an den König. «Herr, seid Ihr sicher, dass Ihr den äh … edlen, tapferen, kampferprobten Gawain nicht hier brauchen werdet, um Camelot zu verteidigen?»
«Nein, Gwydiot», lächelte der
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