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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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zahlreichen Zahnlücken und starrte drohend ins Leere. Gwydiot sah ihn zweifelnd an und fragte sich, ob er seine Wahl nicht vielleicht doch etwas zu sorglos getroffen hatte.
    Als Mordratt sie in einem äußerst gemütlichen Stall mit viel frischem Heu und klarem Wasser für die erschöpften Pferde untergebracht hatte, waren Gwydiots Zweifel dann allerdings fast gewichen. Und als der kleine, bei Licht besehen unheimlich rattenartige Mann ihnen anschließend auch noch ein geradezu fürstliches Mahl aus Salzfleisch, Gemüse und ofenwarmem Brot auftischte, verflüchtigten sich diese Zweifel restlos. Gwydiot drückte Mordratt ein weiteres Goldstück in die Klaue und erlaubte ihm, sich zurückzuziehen. Dann sank er erschöpft in sein Bett aus Stroh.
    «He, Magier», raunte Gawain.
    «Was denn?»
    «Meint Ihr nicht, dass wir eine Nachtwache aufstellen sollten?»
    «Weshalb?»
    «Na ja, falls diese sächsischen Teufel zurückkommen.»
    Gwydiot nickte. «Kann jedenfalls nicht schaden.»
    «Oh, doch», erwiderte Gawain empört, «Ihr habt doch gehört, was sie tun, diese Ausgeburten der Hölle. Sie schlagen um sich und trinken und morden und …»
    «Es kann nicht schaden, eine Wache aufzustellen.»
    «Ach so. Das meintet Ihr.» Gawain erhob sich nickend, zurrte sein Schwert fester und wandte sich an die Männer. «Ich werde zuerst wachen. Zwei Stunden. Dann komme ich rein und wecke … Euch, Caerleon.»
    Caerleon, einer der jungen Ritter, nickte.
    «Also», fuhr Gawain fort, «nicht, dass Ihr mich für einen dieser Teufel haltet, wenn ich Euch wecke.»
    Caerleon nickte.
    «Gut», sagte Gawain und blieb stehen.
    «Sonst noch was?», fragte Gwydiot.
    «Äh … nein, wieso?»
    «Wollt Ihr hier drin bleiben?»
    «Warum nicht? Ach so, nein, ich wollte ja wachen. Genau.» Gawain verschwand mit einem siegessicheren Lächeln nach draußen und zog die Stallpforte hinter sich zu. Ein sechsstimmiger, erleichterter Stoßseufzer begleitete seinen Abgang. Die erschöpften Männer legten sich ins Stroh und begannen fast unverzüglich zu schnarchen.
    Gwydiot jedoch konnte nicht schlafen. Nicht dass er nicht müde gewesen wäre, im Gegenteil: Er war sogar hundemüde. Nur war er es eben gewohnt, ganz allein auf dem Lager in seiner kleinen Waldhütte zu liegen – oder neben einer Waldnymphe, und die schnarchten grundsätzlich nicht. Er versuchte, sich das Heukissen über die Ohren zu ziehen, an etwas anderes zu denken, laut brummende Schäfchen zu zählen oder das sonore Sägen in seine Träume zu integrieren, aber es funktionierte nicht. Nachdem er sich eine Dreiviertelstunde lang hin und her gewälzt hatte, richtete er sich entnervt auf.
    Na schön.
    Dann eben nicht.
    Er erhob sich, kramte das Orakelbuch aus seiner Satteltasche, öffnete die erstaunlich gut gefettete Pforte und trat aus der Scheune. Zu seiner Linken ragte ein großer Misthaufen in die sternenvolle Nacht, rechts folgte ein verfallener Schuppen, daneben das nächste, dunkle Haus. Die Häuser gegenüber lagen da wie schwarze Steine, und auch der fahle Dorfplatz mit dem Brunnen war menschenleer. Das war alles.
    Gawain war nicht zu sehen.
    Mit gerunzelter Stirn umrundete Gwydiot den Misthaufen und lugte um die Scheune.
    Kein Gawain.
    Der Magier schlich besorgt zur Vorderseite der Scheune zurück. Was hatte das zu bedeuten? Gawain war zwar dümmer als ein Baum, aber auch genauso stark, also konnten ihn die mysteriösen Teufel mit den bunten Eisenstacheln kaum verschleppt haben, ohne dabei gehörigen Lärm zu verursachen. Gwydiot wollte gerade aufbrechen und sich in der Umgebung nach dem Ritter umsehen, als er eine Bewegung wahrnahm – über sich. Er legte den Kopf in den Nacken. Im dunkelblauen, mit glitzernden Punkten übersäten Nachthimmel tauchten zwei Sternschnuppen auf. Gleichzeitig. Eine von beiden näherte sich von Westen, die andere von Osten. Weit unter ihnen stand der Magier und beobachtete starr vor Staunen, wie sie, langschweifigen, ungezähmten Wildpferden gleich, mit rasender Geschwindigkeit aufeinander zuschossen und schließlich mit unermesslicher, lautloser Wucht zusammenstießen, weit, weit draußen am Firmament. Ein Funkenregen sprühte über den Himmel und erlosch.
    Gwydiot klappte den Mund wieder zu und den Kopf nach vorn. Er blätterte ratlos in seinem Orakelbuch und fand nach einigem Suchen die richtige Seite. «Tanz der Himmelskörper». Zwei Feuerkugeln, die zusammenstoßen. Der Magier ließ seinen Finger über die fahle Seite gleiten.
Begegnen sich

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