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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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nicht auf den Kopf gefallene König. «Ich habe ja die anderen Ritter der Tafelrunde hier bei mir. Der tapfere Gawain wird mit dir streiten.»
    «Bestimmt, Sire», sagte Gwydiot fast ohne Ironie. «Nun denn. Lebt wohl, mein König. Möge der Tag kommen, an dem wir uns wiedersehen.»
    «Ich werde dafür beten.»
    «Gute Idee.» Gwydiot nickte. «Hoffentlich hilft’s.»
    Und grußlos wandte er sich ab, bestieg Shynddmaar und ritt an der Spitze der kleinen Gruppe hinaus in die morgendlichen Nebel.
    Da er nicht glaubte, Camelot jemals wiederzusehen, sah er auch keinen Grund mehr, sich wegen seines scheinheiligen Königs irgendwelche höflichen Zacken aus der Krone zu brechen.
     
    Sie ritten den ganzen Tag. Vorbei an dampfenden Baumresten, vorbei an offenbar eilig aufgerichteten Galgen, an denen in feines Tuch gehüllte Männer baumelten und ihnen die Zungen herausstreckten, über weite Felder und so selten wie möglich durch finstere Wälder, um nicht plötzlich unberechenbaren Feinden zu begegnen. Von weitem erblickten sie ein Grüppchen eigentümlicher Kreaturen, die sich unter weißen Perücken echauffiert die Näschen puderten, und überall sahen sie zahnlose Weiber und dreckstarre Gesellen in den Gräben hocken und den Himmel anrufen. Die Jammernden fragten laut und irren Blickes, welcher Untat sie sich schuldig gemacht hatten, weshalb diese Strafe über sie kam und wie viele Hexen und Hexer sie denn noch auf Verdacht verbrennen sollten, um den Zorn der Götter zu mildern, aber der Himmel schwieg.
    Von der Mittagsrast bis zum Einbruch der Nacht schmollte Gawain beharrlich. So leicht verzieh er dem Magier nicht, dass er ihm verboten hatte, die Pudernasen ihrer Köpfe zu erleichtern. Der Ritter war fest davon überzeugt, dass es sich um Sachsen handelte. Er war ohnehin davon überzeugt, dass alles Unheil irgendwie die Schuld der Sachsen sei. Sogar die Warzen, die er einige Wochen zuvor unter seinem linken Fuß entdeckt hatte.
    Kurz vor Sonnenuntergang erreichten sie Mulchelney, eine kleine, unbefestigte Ortschaft am Südufer des Yeo. Sie ritten durch die schmutzige, dunkle Gasse, die Mulchelney zerschnitt, und suchten nach Leben. Das Dorf wirkte wie ausgestorben.
    «He», zischte Gawain durch das Trappeln der Hufe, «was ist denn hier los, Magier?»
    «Woher soll ich das wissen, Ritter?», zischte Gwydiot zurück. Er zügelte Shynddmaar auf dem Dorfplatz und sprang zu Boden. «Heeee-da! Bürger von Mulchelney!», rief er in die Dunkelheit. «Wir kommen in Freundschaft.»
    Nichts rührte sich.
    «Wir kommen vom Hofe des Königs.»
    Nichts.
    «Wer uns heute Nacht beherbergt, bekommt zwei Goldstücke!»
    Aus allen Gebäuden, Ecken und Winkeln schossen die Bewohner des Dorfes heran und streckten rufend die Arme aus. Gwydiot wandte sich lächelnd an seine Begleiter und sagte: «Traurig, aber wahr. Das zieht immer.» Die Dorfbewohner rissen währenddessen gierig an seiner Kutte und versuchten so, ihn auf sich aufmerksam zu machen. Als einige der Schlafplatzanbieter aus den hinteren Reihen begannen, die besser postierte Konkurrenz mit Dolchen auszustechen, beendete Gwydiot den Aufruhr, indem er gebieterisch auf denjenigen der zerlumpten Männer deutete, der ihm gerade am nächsten stand. Es machte keinen Unterschied. Sie sahen alle gleich schlimm aus.
    «Du», sagte der Magier. «Wie ist dein Name?»
    «Mordratt, Herr», winselte der Mann und verbeugte sich.
    «Gut, Mordratt, du wirst uns einen Platz zum Schlafen weisen.» Gwydiot kramte seinen prallgefüllten Beutel heraus und drückte dem Mann zwei Goldstücke in die schmutzige Hand. Während die Abgewiesenen murrend in ihre Löcher zurückkrochen, führte der Magier sein Pferd am Zügel neben Mordratt her. «Sag mir, Mordratt, weshalb versteckt ihr euch?»
    «Wegen der Teufel, Herr.»
    «Welcher Teufel?»
    «Der Teufel, die unser Dorf heimsuchen. Große Teufel mit Haaren, die vom Kopfe stehen wie eiserne Stacheln. Grüne, feuerrote, knochenbleiche Haare. Und sie trinken. O ja. Aus bunten Blechgefäßen mit kleinen Öffnungen … Das ist die Strafe!»
    Gwydiot runzelte die Stirn. Natürlich kam er nicht auf die Idee, dass eine Horde Punks von der Victoria Station kurz vor Arsenals letztem 1984 er Saisonspiel mitsamt ihren Alkoholvorräten durch die Zeit gerutscht waren und die Bewohner von Mulchelney für einen Haufen dreckiger Liverpool-Fans hielten.
    «Die Strafe? Wofür?», fragte er.
    «Für die Sünden der Mächtigen», zischte Mordratt durch eine seiner

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