Götterdämmerung
erschrocken wieder hin und krabbelte hinter Gwydiot und Gwenddolau her auf allen vieren zur Scheunentür.
Aus der Scheune, die Mordratt ihnen als Nachtlager zugewiesen hatte, wogten dichte Rauchwolken. Erste, vorsichtig tastende Feuerzungen leckten aus dem Inneren über das Strohdach und kamen sehr schnell auf den Geschmack. Das allein wäre für Gwydiots und Gawains junge Begleiter zwar unangenehm gewesen, aber beileibe nicht tödlich. Tödlich war, dass die Dorfbewohner sich vor dem lodernden Nachtquartier versammelt hatten und die erschrocken aus dem Inferno taumelnden Ritter mit Schwertern, Mistgabeln und anderen Ackergerätschaften zurück in die Flammen scheuchten. Gawain schaffte es endlich, in seine Hose zu kriechen, und zückte wutentbrannt das Schwert.
«Dieses verfluchte Lumpenpack! Ich werde sie …»
«Nichts werdet Ihr», sagte Gwydiot und hielt ihn zurück.
«Was!? Soll ich etwa tatenlos zusehen, wie dieses Bauerngesindel unsere Freunde meuchelt?»
«Was wollt Ihr denn dagegen unternehmen?» sagte Gwydiot. «Es sind zu viele. Wollt Ihr mit Euren Freunden sterben? Oder wollt Ihr weiterreiten?» Die Schreie aus den Flammen untermalten die resignierten, aber sehr realistischen Fragen des Magiers.
«Ich … Ich will kämpfen!», schrie Gawain. «Siegen! Siegen will ich!»
Und mit diesen hehren Worten stürmte er schreiend auf die Bauern zu, die sich verblüfft nach ihm umwandten. Natürlich entdeckten sie auch Gwydiot und Gwenddolau. Gawain hatte es mit einem Schlag geschafft, sich selbst in Lebensgefahr zu bringen und dem zornigen Mob zu verraten, dass der Magier mit dem prallen Goldsack nicht in der Scheune abfackelte. Die Einwohner von Mulchelney warteten nicht, bis Gawain sie erreicht hatte, sondern starteten einen Gegenangriff. Gawain gelangte daraufhin urplötzlich zu der Einsicht, dass es manchmal klüger ist, erst zu denken und dann zu handeln, und trat nach kurzem Zögern den Rückzug an. Jetzt stürmte er auf den Magier und das Mädchen zu, das sich ängstlich an Gwydiots Kuttenärmel klammerte. Gwydiot hätte sich auch gern irgendwo festgeklammert.
«Scheißeeee!», brüllte Gawain auf den letzten Metern, bremste kurz vor dem Magier ab und keuchte erbärmlich. «Und was machen wir jetzt?»
Gwydiot verfluchte seinen Begleiter lautlos und hob dann die Arme. Wenn er schon in die Finsternis marschieren musste, dann doch wenigstens mit Pauken und Trompeten. Feuerzauber. Wie war das noch?
Burrhnderrballs? Lyyghtdehskullers? Nein. Fyyhrrblizzblazzt? Ja.
«Fyyhrrblizzblazzt!», raunte er gebieterisch, und aus heiterem, wenn auch ziemlich dunklem Himmel stürzte ein kanonenkugelgroßer Feuerball vor die heranstürmenden Männer. Sie blieben stehen wie angewurzelt. Unschlüssig betrachteten sie die kleine Feuerkugel, die vor ihren Füßen rasch in sich zusammenschmolz.
«Wahnsinn», flüsterte das Mädchen an Gwydiots Arm.
«Ganz einfach», erwiderte er. «Nur wird es uns nicht viel nützen.»
Der Feuerball löste sich auf. Die Dorfbewohner kamen näher. Gwydiot schleuderte ihnen einen zweiten Ball vor die Füße, aber diesmal ließen sie sich davon nicht am Weitergehen hindern. Das erste Mal ist grundsätzlich atemberaubend, aber das zweite Mal lockt in der Regel schon keinen Welpen mehr hinter dem Ofen hervor. Diese überaus intelligente, allgemein gültige Feststellung sollte übrigens jedem sensiblen Menschen einen verflucht guten Grund liefern, sich auf all die ersten Male im Leben möglichst gründlich vorzubereiten – und könnte hier und jetzt zum Gegenstand einer längeren, hochinteressanten Abhandlung werden, wenn es auf dem Marktplatz von Mulchelney nicht gerade so verflucht spannend zuginge.
Ein zorniges Knurren und Geifern begleitete das Vorrücken der Menge. Fackeln wurden entzündet, Messer gewetzt, Zähne gefletscht.
«Oh, oh», sagte Gawain und trat entschlossen zwischen Gwydiot und die Scheunentür.
Die Menge blieb einen knappen Meter von den dreien entfernt stehen. Mordratt drängelte sich durch die irren Augen in die vorderste Reihe und streckte seinen kleinen Rattenkopf vor.
«Jaaa! Nun fahrt zur Hölle, Dääämonen!»
Die Menge johlte.
«Wieso?», fragte Gwydiot möglichst unbeeindruckt. «Was haben wir euch denn getan, in drei Teufels Namen?»
«Jaaa-ha-ha! Du hast dich verraten, alter Satan! In drei Teufels Namen! Das ist der Name eures Herrn! Der Name eures Fürsten! Beelzebub hat sich ins Herz des Königs geschlichen und wider Gott den Allmächtigen
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