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Götterfall

Götterfall

Titel: Götterfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Die Asche war dabei, das Innere des Hauses in Beschlag zu nehmen. Das konnte nicht mehr gesund sein!
    Wahrscheinlich blieben die Isländer noch immer völlig entspannt, schauten aus dem Fenster und sagten höchstens: Oh, ganz schön schlechte Sicht heute. Doch Wenckes Hals fühlte sich beim Schlucken bereits so wund an, als hätte sie sich eine Mandelentzündung eingefangen. Das kalte Leitungswasser brachte Erleichterung, jedoch nur für ein paar Minuten. Jeder Atemzug schmeckte nach rostigem Metall. Sie musste von hier verschwinden!
    Gleich nachdem sie die Tür nur einen mickrigen Spalt geöffnet hatte, hustete sie wie ein Teenager nach dem ersten Zug aneiner verbotenen Zigarette. Nein, so würde sie nicht weit kommen. Wencke nahm ein Geschirrtuch aus der Schublade, durchfeuchtete es mit Wasser und band es sich vor Mund und Nase. Vielleicht sah das lächerlich aus, doch das Atmen funktionierte deutlich entspannter. Nur kurz überlegte sie, ihr Gepäck mitzunehmen, entschied sich aber dagegen. Die Tour ins Nirgendwo würde ohnehin beschwerlich werden, da brauchte man nicht noch einen Rollkoffer hinter sich herzuziehen. Sie füllte sich lediglich etwas Wasser in eine Plastikflasche, die sie aus dem Mülleimer gefischt hatte, steckte sie zusammen mit Pass und Portemonnaie in den Rucksack und warf einen Blick auf die grob gerasterte Islandkarte, die sich im Innern des Programmheftes befand. Immerhin hatte sie den glühenden Herðubreið als Orientierungshilfe und den See als zusätzlichen Wegweiser. An dessen östlichem Ufer verlief die Schotterpiste, über die Jarle und auch Lena gefahren waren, diese Strecke führte vermutlich am ehesten zum Ziel.
    Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss. Wencke kniff die Augen zusammen und lief Richtung See, doch schon nach den ersten Schritten hielt sie inne: War das dort eine menschliche Silhouette? Selbst wenn es Jarle war: Von ihm hatte sie nichts Gutes zu erwarten. Da es keinen Baum oder Pfahl oder sonst etwas gab, wohinter man sich hätte verstecken können, ging Wencke einfach in die Hocke und hoffte, auf diese Weise unbemerkt zu bleiben. Die Sichtweite betrug ohnehin bestenfalls dreißig Meter, da könnte man sie auch für einen großen Stein halten.
    Die Silhouette kam näher: eine mittelgroße Gestalt, ein Mann, wenn Wencke das richtig ausmachen konnte. Der Parka! Wencke hielt den Atem an. Er war jetzt so nah, dass sie das Rot seines Bartes erkennen konnte. Der Typ vom Gletschersee! Der war kaum hier, um die schöne Landschaft zu betrachten. Der war geschickt worden – zu ihr! Und er hatte schon einmal skrupellosihren Tod in Kauf genommen. Es war höchste Zeit, von hier zu verschwinden!
    Ein fieses Kratzen scheuerte in ihrem Hals und wollte laut und heftig weggehustet werden. Sie schluckte den Reiz herunter, drei oder vier Mal, aber er kam immer wieder hartnäckig die Kehle heraufgekrochen. Sie durfte sich jetzt nicht durch irgendein Röcheln verraten. Sie hatte ohnehin unglaubliches Glück gehabt, nur zehn Sekunden später wäre es ihr nicht mehr gelungen, unerkannt aus dem Haus zu schleichen. Und dass sie das Licht hatte brennen lassen, war bestimmt auch nicht schlecht. Es sah so aus, als säße sie noch immer dort drinnen und wartete ab. Er ging die Veranda hoch, schaute sich kurz um, dann betrat er die Hütte. Jetzt würde nicht mehr viel Zeit bleiben, bis er begriff, dass Wencke dort nicht zu finden war. Und dieses bisschen Zeit musste sie als Vorsprung nutzen.
    Bestimmt war er mit einem Auto gekommen, doch weil ein Motorgeräusch aufgefallen wäre, hatte er es wahrscheinlich in einiger Entfernung geparkt und die Schlüssel mitgenommen. Der Versuch, seinen Wagen zu finden und zu knacken, würde den Vorsprung bald wieder zunichtemachen. Sie musste sich etwas anderes überlegen, um schnell, sehr schnell die Kurve zu kriegen.
    Wencke schlich ums Haus. Was hatte sie über diese Islandpferde gelesen? Gutmütig waren sie angeblich, geländegängig und klug. Wencke war nie eine Pferdenärrin gewesen, noch nicht einmal in der Zeit, als alle ihre Freundinnen rosarote Sticker auf den Federmäppchen kleben hatten. Sie fand diese Tiere zu groß und zu wild, und außerdem hatte sie mal gelesen, dass Pferde genau diese Angst bei den Menschen spüren konnten und sich dann noch unbändiger gaben.
    Diese drei Pferde, die eigentlich eher Ponys ähnelten, warteten allerdings nur nass und triefend am Gatter, wo sie sich vorhin schon von Hüffart die Mähnen hatten kraulen lassen. Mansah

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