Götterfall
erzählt hat, dass es da am Fuße des Regenbogens immer einen Sack voll Gold gibt. Das ist schon eine Form von Genugtuung, wenn du weißt: Die Schweine, die dir dein Leben versaut haben, sind gleich einen richtigen Schatz los. Drei Millionen Euro – futsch für immer!
Zugegeben, als Lena ihn in diesen Plan eingeweiht hatte, wollte Frankie erst nicht mitmachen und sie stattdessen an den Schultern packen und schütteln und anbrüllen: Bist du bekloppt? So ein Haufen Kohle, da könnten wir beide uns ein wunderbares Leben gönnen, verdient hätten wir es allemal.
Aber er hat es nicht gemacht. Weil er ja damals, als er so alt war wie seine Tochter heute ist, selbst fest daran geglaubt hat, dass Geld nicht alles ist und zu viel davon ohnehin nicht gut.
Erst als er sie da oben neben der Hütte hatte stehen sehen, mit der Knarre in der Hand, wild entschlossen zu einem wahnsinnigen Vorhaben, erst da war sie wirklich seine Tochter geworden. Weil er sich selbst in ihr erkannt hatte, seine Ideale vonfrüher, seinen Sinn für Gerechtigkeit und seinen unbedingten Willen, die Sache durchzuziehen, egal was dabei rauskommt. Da war auf einmal Schluss gewesen mit Ameisen und Wut.
Also wartete er jetzt hier neben Hüffart. Darauf, dass Urbichs Limousine mitsamt den drei Millionen den Hang hinuntergefahren kam und diese ganze Geschichte endlich zu Ende erzählt wurde. Denn auf den Punkt gebracht war es das, was Frankie eigentlich lieber wollte als alles Geld der Welt: Ruhe! Endlich Frieden!
Der Treffpunkt befand sich auf einer Art Landzunge inmitten des Goðafoss , die über einen versteckten Trampelpfad und eine natürliche Brücke erreichbar war. Links und rechts schäumte das Wasser, da kannst du schon Angst kriegen, dass du irgendwo versehentlich abrutschst oder danebentrittst. Besser, du machst alles einen Tick aufmerksamer als sonst. Hüffart saß im Rollstuhl, den Lena ihm gestern noch von irgendwoher besorgt hatte, und starrte in die Fluten. Da der Weg ziemlich holperig gewesen war, hatte Frankie ihn auf halber Strecke vorsichtshalber an seinem Sitz festgegurtet. So fiel er dann nicht versehentlich aus dem Stuhl, und außerdem konnte der Alte dann nicht wieder abhauen. Jetzt kam es drauf an, dass er hierblieb. Denn es ging um den Mord an seinem Sohn. Den Mord, für den Frankie zwanzig Jahre seines Lebens gebüßt hatte, zu Unrecht, darauf würde er immer bestehen, absolut zu Unrecht.
Egal, ob die Geschichte in Doros verdammten Briefen nun stimmte oder nicht, das war ja gar nicht der Punkt. Für Frankie stand in erster Linie fest: Er hatte Jan nicht getötet. Und der wahre Mörder hatte es in Kauf genommen, dass neben dem Schicksal der Familie Hüffart noch drei weitere Leben aus dem Ruder gelaufen waren: Doros, Lenas und sein eigenes. Hätte dieser Mörder – wer auch immer es war – Jan damals am Leben gelassen, wäre heute alles, aber auch wirklich alles anders. Und was Frankie anging: Es wäre definitiv besser gewesen.
Die letzte Nacht hatten Frankie und Hüffart gemeinsam in dem kleinen, hellgelben Hotel direkt am Wasserfall verbracht. Lena hatte ihnen das Quartier gestern direkt vor Ort gebucht. Sie selbst hatte sich dringend wieder bei ihren Symposiumsteilnehmern blicken lassen müssen, die am Sonntag den ganzen Tag Referate gehört hatten. Sie wollte nicht, dass ihre Abwesenheit bei AlumInTerra auffiel, womöglich kam dann noch einer von ihren Chefs auf die Idee, sie zu verdächtigen, etwas mit Hüffarts Verschwinden zu tun zu haben. Lena würde erst mit dem Bus auftauchen, der die Reisegruppe an diesem Morgen zu ihrem ersten Ausflugsziel brachte. Welches Spektakel die feinen Herrschaften erwartete, wusste natürlich nur Lena – und Jarle Yngvisson, der sich vor einem Jahr auf ihre Seite geschlagen hatte. Vielleicht war es komisch, dass dieser Mann sich so ins Zeug legte für eine Sache, die ihn doch im Grunde nichts anging, nur der Gerechtigkeit wegen. Aber er war es, der die Verhandlungen mit dem Konzern übernommen hatte, und allein das war Gold wert.
Was genau die beiden ursprünglich vorgehabt hatten, war Frankie noch etwas schleierhaft. Laut Lena habe man Hüffart und Silvie irgendwie weichkochen wollen mit Andeutungen, dass es hier um die alte Geschichte in Bad Iburg geht. Bei der Eröffnung hätten sie schon ein Bild präsentiert, das wohl ziemlich an Jan erinnert habe. Gern hätte Frankie die hysterische Flucht der beiden miterlebt, das musste ein Bild für die Götter gewesen sein. Und so hätte
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