Götterfall
Lena Jacobi in die Mitte des Felsvorsprungs, als wäre er eine Bühne und sie die Moderatorin des Abends. »Sie irren sich, Urbich. Ich bin es, der Sie das Geld überreichen müssen!«
Urbich musterte die graue Maus, als sähe er sie zum ersten Mal.
Davon ließ die sich nicht aus der Ruhe bringen. »Ich habe damit gerechnet, dass Sie sich nicht an mich erinnern können. Schließlich bin ich nur so eine blöde Volontärin und Sie sind der Big Boss!«
»Stimmt das?«, wandte sich Urbich an Yngvisson. »Wurden wir von einer Hilfskraft erpresst, die vorgestern noch in die Windeln gemacht hat?« Er lachte, doch als niemand außer ihm die Mundwinkel auch nur einen Millimeter nach oben zog, riss er sich zusammen. »Und wofür brauchen Sie das Geld, junge Dame? Ein bisschen shoppen bei H&M, oder was?«
Mein Gott, konnte Urbich sich nicht ein kleines bisschen am Riemen reißen? Noch lagen die Griffe des Rollstuhls fest in Götzes Hand, noch war Karl nicht in Sicherheit, es war wirklich nicht der Moment, sich so schäbig aufzuführen. »Gib ihr schon das Geld!«, forderte Silvie. »Na los!«
Zögerlich streckte Urbich den Arm aus, an seiner Hand baumelte die Tüte. Drei Millionen mussten eine ganze Menge wiegen, er konnte das Ding kaum halten. »Bitte, bedienen Sie sich!«
Lena machte drei Schritte auf ihn zu, da zog Urbich das ganze Paket zurück und versteckte es hinter seinem Rücken. »Jetzt mal ganz langsam mit den jungen Pferden. Wo ist der Haken bei der Sache? Sie lassen uns doch nicht alle hier antanzen, um dann einfach das Geld zu nehmen und abzuhauen. Das hätten Sie doch auch einfacher haben können!«
»Da haben Sie recht«, entgegnete Lena Jacobi selbstbewusst. »Haben Sie eine Ahnung, wo wir uns hier gerade befinden?«
Urbich schnaubte. »Ich habe normalerweise keine Zeit für Sightseeing, aber dass wir uns hier am Goðafoss befinden, habe ich bereits mitbekommen, stellen Sie sich vor!«
»Und kennen Sie die Geschichte dieses Wasserfalls? Wissen Sie, woher der Name stammt?«
»Na los, erzählen Sie es mir …«
» Goðafoss bedeutet ›Götterfall‹. Vor tausend Jahren hat hier schon einmal ein mächtiger Mann gestanden, sein Name war Þorgeir, er war so etwas wie Sie, Vorsitzender einer mächtigen Institution in Island.«
»Da müssen Sie sich verrechnet haben, AlumInTerra gibt es hier noch keine tausend Jahre«, witzelte Urbich.
»Der Mann, von dem ich rede, war ein Gesetzessprecher, Politiker, wenn Sie so wollen. Doch er betete zu den falschen Göttern und wurde schließlich zum wahren Glauben bekehrt. Um zu beweisen, dass er seinem Heidentum abgeschworen hatte, warf er all seine Götzen in diesen Wasserfall.« Lena Jacobi wies auf das Toben und Rauschen jenseits der Klippen.
»Danke für den Vortrag. Und warum ist das wichtig?«
Die junge Frau verzog keine Miene. »Sie werden heute dasselbe tun wie Þorgeir.«
»Unsere Götzen vernichten?« Urbich begriff und wurde sehr blass. »Sie wollen allen Ernstes die drei Millionen einfach so …«
»Werfen Sie das Geld über die Klippe!«
»Aber man könnte damit auch sehr viel Gutes anstellen. In Umweltprojekte investieren beispielsweise, oder in den Ausbau eines betriebseigenen Kindergartens …«
»Machen Sie sich nicht lächerlich, Urbich!«, unterbrach Götze. »Als hätten Sie je einen anderen Zweck im Geld gesehen als Ihren persönlichen Wohlstand.«
Lena Jacobi zeigte auf die Menschenmenge am anderen Ufer. »Sehen Sie die Leute da hinten?«
Urbich nickte langsam.
»Es sind alles wichtige Vertreter aus verschiedenen europäischen Ländern, von denen AlumInTerra sich in naher Zukunft etwas verspricht. Lukrative Aufträge, Fördergelder und gute Presse.«
»Genau! Und wenn die mitbekommen, dass ich als Vorstand der AlumInTerra- AG das Geld im wahrsten Sinne des Wortes den Bach runtergehen lasse, dann rauschen unsere Aktienkurse hinterher. Das kostet Arbeitsplätze, verstehen Sie? Was Sie hier fordern, bedroht die Existenz vieler Familien, für deren Lebensunterhalt wir sorgen!«
Das schien Lena Jacobi in keiner Weise zu beeindrucken. Sie zeigte weiterhin zum anderen Ufer: »Denen werden Sie jetzt die ganze Wahrheit erzählen.«
»Sie meinen, dass es gar keinen Weihnachtsmann gibt?« Urbich war wirklich von allen hier Anwesenden der größte Idiot. Konnte er nicht einfach tun, was von ihm verlangt wurde? Silvie schaute zu Karl hinüber. Er sah so unglücklich aus, so verloren. Sie wollte jetzt endlich zu ihrem Mann!
Götze war hitzig wie
Weitere Kostenlose Bücher