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Götterfall

Götterfall

Titel: Götterfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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finden, die eventuell viele Jahre lang offengeblieben sind.«
    »Wo gab es denn offene Fragen, wenn ich da mal nachhaken darf?« Der Anwalt machte seinen Job gar nicht mal schlecht. »Soweit ich informiert bin, fanden sich zwar einige widersprüchlicheAussagen in der Akte, doch die Beweislage hat schlussendlich die Wahrheit zutage und diesem Götze eine lebenslange Haftstrafe eingebracht.«
    »Es geht mir weniger um Frank-Peter Götze als um Dorothee.«
    »Was ist mit meiner Tochter?«, entfuhr es der Mutter, die daraufhin die schwere Hand ihres Gatten auf den Oberschenkel gelegt bekam und wieder in Schweigen verfiel.
    »Doro hat damals massive Zweifel an der Geschichte geäußert. Wissen Sie etwas über entsprechende Notizen? Hatte Dorothee eine Art Tagebuch?«
    Den unbewegten Gesichtern nach zu urteilen, waren die Mahlmanns ahnungslos. Also adieu, du schöne einfache Erklärung, von wem die aufwühlende Post der letzten Tage stammte. Dorothees Eltern hatten mit den Briefen offensichtlich nichts zu tun.
    »Anders gefragt: Wenn Ihre Tochter ein Tagebuch geführt hätte, in wessen Besitz wäre es heute?«
    »Na, in unserem.« Das klang fast nach Protest. Herr Mahlmann wurde sogar etwas lauter. »Aber so etwas hat Dorothee nicht gehabt. Das wüssten wir. Was soll diese Frage?«
    Erst wollte Wencke anbieten, am besten selbst mal nachzulesen, die Kopien hatte sie schließlich griffbereit dabei. Doch irgendwie erschien es ihr falsch, Doros Eltern damit zu belasten. Später, wenn sie selbst dahintergekommen war, was es mit den Zeilen auf sich hatte, dann würde sie eventuell noch einmal nach Herrenhausen fahren und alles erklären  – wenn sie denn überhaupt so etwas hören wollten. »Sie hat bis zuletzt darauf bestanden, zum Zeitpunkt des Mordes mit Götze …« Wencke sah den entsetzten Blick des Vaters und suchte nach einer halbwegs manierlichen Formulierung: »… intim gewesen zu sein.«
    Selbst damit überstrapazierte sie offensichtlich das Nervenkostümder Mahlmanns, beide rutschten auf ihrer Bank hin und her, als wollten sie dort ihre Brut sichern.
    »Hat es Sie nicht gestört, dass die Polizei Doro als unglaubwürdige Person bezeichnet hat?«
    Der Anwalt betrachtete seine Notizen, anscheinend hatte er bereits auf jede mögliche Frage die passende Antwort parat. »Meine Mandanten denken, dass ihre Tochter damals in ihrer Entscheidungsfindung deutlich fehlgeleitet war.«
    »Wie bitte? Doro und fehlgeleitet? Ihre Tochter und ich waren gleich alt, als wir uns damals in der Akademie kennengelernt haben. Und soll ich Ihnen etwas verraten: Ich habe Doro glühend verehrt für ihre Geradlinigkeit. Sie war zweiundzwanzig Jahre alt und wusste ganz genau, was sie wollte.«
    »Frau Tydmers, es ist müßig, darüber zu diskutieren, denn leider lebt die Tochter meiner Mandanten nicht mehr, und sie wäre die Einzige, die hier etwas Wesentliches zum Gespräch beitragen könnte.«
    Die Kellnerin brachte den Orangensaft und Wencke merkte erst jetzt, wie durstig sie war. Der Tag schnürte ihr die Kehle zu. »Was genau ist damals mit Doro passiert?«
    »Sie hatte eine Lungenembolie«, antwortete der Anwalt pfeilschnell und zog nicht weniger eilig ein Blatt aus dem Ordner, als habe er schon alles passend parat gelegt. Es handelte sich um die erste Seite eines medizinischen Gutachtens, wie Wencke auf Anhieb erkennen konnte.
    Wencke schob die Zettel zur Seite. »Und woher kommt aus heiterem Himmel eine solche Embolie? Mit einer entsprechenden Vorerkrankung hätte sie keine Chance auf eine Ausbildung bei der Polizei gehabt. Da werden die Bewerber auf Herz und Nieren geprüft: EKG, EEG, mit und ohne Belastung …«
    Der Anwalt räusperte sich. »Wie Sie dem Gutachten entnehmen können, handelte es sich um den Schweregrad vier, dieser geht mit einem schockähnlichen Zustand einher. Als manDorothee Mahlmann fand, musste sie reanimiert werden. Tragischerweise hat das Hirn durch die lange Unterversorgung irreparablen Schaden genommen.« Das war keine konkrete Antwort auf Wenckes Frage, sondern ein bisschen medizinisches Palaver.
    »Wie haben Ihnen die Ärzte damals diese plötzliche Gesundheitsveränderung erklärt?«
    Keiner der drei sagte ein Wort. Treffer, endlich mal eine Frage, die sie nicht akribisch vorbereitet hatten.
    »Erinnern Sie sich an unser Treffen damals, Herr und Frau Mahlmann? Ich war gemeinsam mit Silvie in diesem Heim. Als man noch nicht genau wusste, ob Doro jemals wieder zu sich kommt oder nicht.« Beide schauten aus

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