Götterfall
F. noch irgendwo ne Bude hat, und seine Steinzeit-Schreibmaschine kannte ich auch. Aber deswegen bin ich doch keine Schwerverbrecherin! Und daß ich keine Ahnung von der Sache mit Jan hatte, ist ja nun mal die Wahrheit, genau wie es stimmt, daß F. in der Mordnacht mit mir zusammen war. Ich bin doch nicht vollkommen verrückt.
Hab gefragt, ob ich zu F. kann, weil ich ihm was Wichtiges sagen muß – stimmt ja auch, ich wollte es ihm längst gesagt haben, war aber zu feige – aber die haben meinen Wunsch ignoriert. Ich will zu F.! Nochmal und nochmal. Dann hat mich einer abgewürgt: Mädel, nach dem, was du dir geleistet hast, kannst du dir das abschminken.
Ich spüre, da steckt was ganz anderes dahinter. Vielleicht diese Sache in F.s alter Heimat, in Kreuma. Vielleicht diese Metallfirma, diese Formel, keine Ahnung, könnte ja sein. Da soll was verdreht werden. Und ich hänge mit drin.
Muß ich mal hinter her. Was rauskriegen. Ermitteln. Hab ich ja auf der Schule gelernt.
Bis dahin erstmal auf stur stellen. Hab vorhin beim Essen versucht, mit Wencke zu reden. Hab ihr gesagt, hier ist was faul. Sie hat erst richtig zugehört, nachgefragt, vor allem das Verhör hat sie interessiert. Hab aber das Gefühl, die glaubt mir nicht so richtig. Hält mich für übergeschnappt. Hat sie nicht direkt gesagt, aber man merkt so was doch. Scheiße, was mache ich, wenn selbst Wencke mir nicht glaubt? Beweise suchen? Wo? Wie?
Nichts gehört von F. Aber an ihn gedacht. Dauernd.
D.
Verðandi
[13. Juni, 11.15 Uhr, Schlossküche , Herrenhäuser Gärten,
Hannover, Deutschland]
Die Mahlmanns wollten Wencke nicht in ihrem Privathaus treffen, sie wollten auch nicht ohne ihren Anwalt sein, eigentlich hätten sie das von Wencke gewünschte Gespräch über ihre Tochter Dorothee am liebsten rigoros abgelehnt.
Doch wenn man eine besonders dringliche Anfrage des LKA an sich gerichtet wusste, war es nicht einfach, sich total zu verweigern. Zumindest nicht, wenn man so brav, angepasst und gutbürgerlich veranlagt war wie Doros Eltern.
Nach der Lektüre der dritten Notiz hatte Wencke keine Sekunde gezögert, Doros Eltern zu kontaktieren. Es war verlockend zu glauben, dass Silvie mit ihrer Vermutung richtiglag: dass die anonyme Post aus dem Hause Mahlmann stammte und lediglich als kleines Mahnen zur Besinnung gedacht gewesen war. Drei Briefe wie Puzzleteile. Dummerweise passte ein solches Spiel nicht zu den Mahlmanns.
Die Schlossküche in den Herrenhäuser Gärten wurde nach einigem Hin und Her als neutrales Terrain akzeptiert. Das Restaurant befand sich in Sichtweite zur akkurat gestutzten Parklandschaft und die Mahlmanns wohnten bloß um die Ecke in einem dieser perfekt restaurierten Jugendstilhäuser, in denen alle emeritierten Hannoveraner Uniprofessoren ihren Ruhestand genossen. Doro hatte damals nicht viel von ihren Eltern erzählt, nur dass sie völlig anders tickten.
Als Wencke durch die Glastür trat, sah sie das ältere Ehepaar in einer der hintersten Ecken sitzen. Sie war ihnen schon einmal begegnet, damals in diesem Heim. Es war eine kurze, aber unerfreuliche Begegnung gewesen, voll unausgesprochener Vorwürfe. Heute dürfte es kaum entspannter zugehen: Ein Anzugträger hatte Akten auf den Tisch gelegt und redete auf die in sich zusammengesunkenen Eheleute ein.
Wencke entschied sich für einen selbstbewussten Auftritt, machte große Schritte und zuckte noch nicht einmal, als ihr angebotener Handschlag allgemein ignoriert wurde.
»Meine Mandanten haben mich gebeten, das Gespräch zu führen«, klärte der Anwalt auf. »Und wir weisen noch einmal entschieden darauf hin, dass wir die Notwendigkeit dieses Treffens nicht erkennen können. Die Entlassung des Frank-Peter Götze hat nicht das Geringste mit Herrn und Frau Mahlmann zu tun. Die beiden kennen diesen Verbrecher nicht, sind ihm nie begegnet und haben auch nicht vor, es jemals zu tun. Wir können uns also nicht erklären, was sich das LKA davon verspricht, so unsensibel vorzugehen.«
Das konnte ja ein Stück Arbeit werden, wenn der schon zu Beginn derart mauerte. Wencke setzte sich trotzdem, bestellte einen Orangensaft und schaute dann in die kleine Runde.
»Wie ich am Telefon bereits erwähnt habe, bin ich inzwischen in der Abteilung für Operative Fallanalyse tätig. Sagt Ihnen das etwas?«
Die drei nickten, wie Schüler nicken, die ihre Hausaufgaben gemacht haben.
»Manchmal rollen wir auch alte Fälle auf, um mit unseren neuen Methoden Antworten auf Fragen zu
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