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Götterfall

Götterfall

Titel: Götterfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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war nicht so hart, nicht so superselbstbewusst, wie sie sich die letzten Minuten aufgeführt hatte. Bei Weitem nicht.
    »Ich kann Ihnen nichts versprechen und ich habe keineAhnung, ob das, was ich gerade tue, überhaupt Ihrem Wunsch entspricht. Aber ich werde ab sofort alles daransetzen, die Wahrheit herauszufinden, auch wenn inzwischen zwanzig Jahre vergangen sind. Denn Doro wollte mir damals etwas sagen. Und sie will es heute wieder. Auf unerklärliche Weise. Dieses Mal höre ich hin.«
    [13. Juni, 14.10 Uhr, Polizeiarchiv, Heger-Tor-Wall, Osnabrück]
    Im LKA-Büro hatte Wencke sich nur noch kurz blicken lassen, um die letzten wichtigen Dateien auf einen USB-Stick zu ziehen, sich von Boris zu verabschieden – und sich von der Telefonzentrale aus mit dem Polizeiarchiv Osnabrück verbinden zu lassen. Mit offiziellem Touch arbeitete es sich entschieden angenehmer, stellte Wencke fest. Kurz vor zehn hatte sie mit dem zuständigen Sachbearbeiter telefoniert, kurz nach drei saß Wencke bereits im schmucklosen Archiv der Osnabrücker Kripo und sichtete eine auffällig dünne Akte zum Fall Jan Hüffart, die lediglich Zusammenfassungen der Protokolle aus dem Januar 1994 beinhaltete, altmodisch mit Schreibmaschine getippt.

    Protokoll vom 18. Januar 1994, Bad Iburg
    Vermißtensache Jan Hüffart, 12 Jahre
    20.35 Uhr:
    Gisela Hüffart, wohnhaft in der Bischof-Benno-Straße, Ehefrau des Politikers Karl Hüffart, meldet ihren 12-jährigen Sohn Jan Hüffart telefonisch als vermißt.
    PM Rico Fernandez und PM Andrea Geil fahren umgehend zum Wohnhaus, in dem die Familie lebt, Ankunft 20.50 Uhr.
    Gisela Hüffart ist zu diesem Zeitpunkt allein, macht einen nervösen,leicht alkoholisierten Eindruck. Die Befragung ergibt, daß Jan Hüffart zuletzt an der Sporthalle des Schulzentrums Bielefelder Straße gesehen wurde, als er gegen 17.30 Uhr nach dem Handballtraining auf sein Fahrrad gestiegen ist.
    Äußere Merkmale laut Beschreibung der Mutter: blond, ca. 1,60 m groß, sportlich, bekleidet mit einem dunkelblauen, gefütterten Anorak, Jeans, weiße Turnschuhe Marke »Puma«, unterwegs mit einem silbernen Jungenrad Marke »Kettler«.
    Die Mutter hat bislang vermieden, ihren Mann zu unterrichten, da dieser gerade eine wichtige Sitzung in Bonn habe. Die Beamten erreichen lediglich die Parteizentrale, Karl Hüffarts persönlicher Referent Alf Urbich wird über den Vorfall unterrichtet. 21.45 Uhr: Fünf Streifenwagen werden als Verstärkung aus Osnabrück angefordert. Die Vermißtenmeldung geht an alle Einsatzstellen.
22.30 Uhr:
Eine Einsatzstaffel sucht den Bereich Schulzentrum bis Bischof-Benno-Straße weiträumig ab. Die Polizeianwärter der ortsansässigen Akademie werden ebenfalls an der Suche nach dem Jungen beteiligt. Der Einsatz unterliegt aufgrund der Tatsache, daß der vermißte Junge der Sohn eines prominenten Politikers ist, einer besonderen Dringlichkeit.
22.50 Uhr:
Am Parkplatz Hagenpatt wird Jans Fahrrad gefunden, es ist ordnungsgemäß abgeschlossen und lehnt an einer Straßenlaterne. Die Sporttasche klemmt auf dem Gepäckträger, auch der Geldbeutel ist noch vorhanden. Es gibt keine Hinweise auf einen Unfall oder sonstige Gewaltanwendung.
23.30 Uhr:
Nach Absprache mit der Mutter soll so bald wie möglich eine öffentliche Suchmeldung herausgegeben werden.
23.55 Uhr:
Dr. Karl Hüffart, der Vater des Jungen, trifft in Begleitung seinesReferenten Alf Urbich ein. Die öffentliche Suchmeldung und die geplante Pressemitteilung werden auf ausdrücklichen Wunsch des Vaters vorerst zurückgestellt. Es kommt deswegen zu einem heftigen Streit zwischen den Eheleuten.
    Ein Termin zur Vernehmung des Dr. Karl Hüffart und weiterer Personen wird unter diesen Umständen für den kommenden Tag festgelegt.
    »Kann ich Ihnen sonst noch irgendwie behilflich sein?«, fragte der Sachbearbeiter, als er an ihrem Tisch vorbeiging, die Arme mit Akten vollgeladen, wie es sich für einen anständigen Archivar gehörte.
    »Es wäre nett, wenn Sie noch die weiterführenden Protokolle heraussuchen könnten.«
    Der Mann sah sie stirnrunzelnd an. »Was genau meinen Sie?«
    »Na, die letzten Schriftstücke dieses Ordners stammen vom …«, Wencke schlug das nächste und gleichzeitig letzte Protokoll auf, »… vom 20.1.1994. Da sollte noch eine Menge mehr archiviert sein.«
    »Da müssen Sie sich irren.«
    Wencke durchblätterte das bisschen, was sie in die Finger bekommen hatte. Es hatte einen Erpresserbrief gegeben, ganz sicher, der jedoch nirgendwo

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