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Götterfall

Götterfall

Titel: Götterfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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man mit mir anstellen könnte?«
    »Es ist … hmm …« Er wirkte etwas verlegen. »Während der Woche wohne ich gut drei Stunden von hier entfernt in der Nähe des Wasserkraftwerks, das die Energie für unsere Firma erzeugt. Meine Hütte ist groß, ich hab ein gemütliches Gästezimmer und genügend Tee und Honig im Vorratsschrank. Du könntest mit zu mir kommen, statt im Hotel bei den anderen zu übernachten. Aber …«
    »Aber was?«
    »Ich wohne ziemlich abgelegen. Und abgelegen bedeutet in Island: Da ist sonst wirklich nichts und niemand!«
    »Auch keine Frau?« Blöde Frage, dachte Wencke im selben Augenblick. Denn selbst wenn dort ein weibliches Wesen auf ihn wartete, womöglich mit einem Haufen Kinder ringsherum, wo wäre das Problem? Er bot ihr ja schließlich nur eine Möglichkeit zum Übernachten, mehr nicht.
    »Höchstens ein paar Elfen …« Er begutachtete Wenckes Kopfschmuck. »Die werden auf dich stehen. Sagengestalten suchen sich gern Menschen aus, die hellblaue Turbane tragen. Wirklich wahr!«
    Die Ärztin ließ sich wieder blicken, mit Krankenschwester im Schlepptau, und sagte, es sei Zeit für die Abschlussuntersuchung. Dann stockte sie, rief »Hey« – und fiel Jarle um den Hals. Die beiden schienen sich zu kennen und quatschten munter drauflos. Eine seltsam betörende Sprache, fand Wencke.
    »Sie ist meine Cousine«, klärte Jarle schließlich auf. »Ich hatte keine Ahnung, dass sie inzwischen hier in Höfn arbeitet.«
    »Deine Cousine? Was für ein Zufall!«
    »Na ja, es geht. Hier in Island sind alle irgendwie miteinander verwandt. Und wenn nicht, sind sie miteinander verheiratet  – oder bereits wieder geschieden.« Er amüsierte sich über seinen eigenen Witz. »Jedenfalls bist du bei Bryndis in besten Händen, sie hat in Reykjavik studiert, sogar Human- und Veterinärmedizin gleichzeitig, da kann also nichts mehr schiefgehen.«
    Als Jarle auf Befehl seiner Cousine das Krankenzimmer verließ, hörte Wencke sein Telefon klingeln. Kurz darauf – gerade presste ihr die Blutdruckmanschette den Oberarm zusammen, um sich dann mit einem plötzlichen »Pfff« wieder zu entleeren – kam Jarle ohne anzuklopfen wieder herein. Die Krankenschwester schimpfte, doch er ließ sich davon nicht im Geringsten beeindrucken. »Hüffart ist verschwunden!«
    »Was?« Dieser Schreck würde bestimmt für Spitzenwerte bei der Messung sorgen. Sie gab der Schwester zu verstehen, dass Jarle von ihr aus im Zimmer bleiben durfte.
    »Hüffart ist wohl aus seinem Rollstuhl ausgestiegen und abgehauen. Seine Frau macht gerade einen Riesenaufstand!«
    »Und kein Mensch hat etwas bemerkt?«
    »Sie glauben, es ist passiert, als der Krankenwagen kam. Alle haben geschaut, was mit dir los ist. In der Zeit ist er wohl abgehauen.« Von Jarles unerschütterlicher Lässigkeit blieb nicht mehr viel übrig. Er lief im Behandlungszimmer hin und her, vom Schreibtisch zum Fenster und zurück. »Mein Gott, dieser Ausflug zum Jökulsárlón lag in meiner Verantwortung. Insbesondere in dieser Gegend gibt es jede Menge Gefahren, reißende Gletscherbäche, Gesteinsspalten … und dann ein Mann in Hüffarts Verfassung, daran mag ich gar nicht denken.«
    »Er könnte auch entführt worden sein«, sagte Wencke undwar sich fast zu hundert Prozent sicher, dass es so war. Klar, sie kannte schließlich denjenigen, der definitiv vor Ort gewesen war und der als Entführer schon Erfahrung gesammelt hatte: Götze!
    Die Ärztin bat um Ruhe, um Wenckes Herz abzuhören. Auch das klopfte jetzt wahrscheinlich schneller, als es eigentlich sollte.
    Hüffarts Zustand war jämmerlich, er war keinesfalls in der Lage, alleine durch Island zu marschieren, und noch weniger, in Gegenwart eines unberechenbaren Mannes wie Götze zu überleben. Hüffart war geistig verwirrt, er brauchte jemanden, der sich um ihn kümmerte, er brauchte seine Medikamente … Moment! »Jarle, schau bitte mal in meine Reisetasche, ganz obenauf muss eine Jeanshose liegen, da greif doch bitte mal in die rechte Tasche.«
    »Warum?«
    »Darin ist eine kleine, weiße Tablette. Sie gehört Hüffart.«
    Er fand das Ding nach ewigem Suchen. »Wie kommst du an seine Medikamente?«
    »Ist doch egal. Ich weiß, dass Hüffart sie in regelmäßigen Abständen von seiner Frau verabreicht bekommen hat. Und jetzt muss er es ohne sie schaffen. Vielleicht kann deine Cousine uns ja verraten, was das für Tabletten sind, dann wissen wir, ob wir uns wirklich Sorgen machen müssen.«
    Er legte die weiße

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