Götterfluch 1 - Der Geraubte Papyrus
werden.
Der Weg, der zum Serapeum führte, war voller Hindernisse. Starke Winde hatten ihn kurz zuvor versanden lassen, und er endete in einer felsigen Rampe, auf der die Soldaten all ihre Kraft aufbieten mussten, um den Schlitten mit der schweren Mumie nach oben zu ziehen.
Kel trug ein Kästchen mit Amuletten und ging hinter Nitis, die den Zug anführte. Bebon und Nordwind, der mit Wasserkrügen bepackt war, hielten sich im Hintergrund. Zahlreiche Klageweiber sangen zu Ehren des Verstorbenen.
Die Totenreise dauerte rund zehn Stunden.
Schließlich tauchte der beiderseits von Sphingen gesäumte Weg auf, der in das Innere des Serapeums führte. Hier hielt der Zug an.
»Der Schöne Westen öffnet sich dem gerechten Apis«, erklärte der Hohepriester des Ptah. »Der König schenkt ihm einen Sarkophag aus rosa und schwarzem Granit, seine unwandelbare und unzerstörbare Barke der Auferstehung. Noch nie zuvor hat ein Pharao ein derartiges Werk vollbracht.«
Nitis öffnete das Kästchen, das ihr Kel reichte, nahm die Amulette heraus und legte sie auf die Mumie.
Die wichtigsten Ritualisten und ihre mit Opfergaben beladenen Gehilfen durchschritten den Eingang zur Nekropole der Stiere.
Von hier führten zwei lange Gänge zu den Auferstehungskammern des Apis. Der erste stammte aus dem Neuen Reich und war achtundsechzig Meter lang; der zweite war unter der Herrschaft von Psammetich I. gegraben worden, annähernd zweihundert Meter lang und schnitt den ersten im rechten Winkel. Ritualisten, die an diesen Bestattungen teilnahmen, genossen ein besonderes Vorrecht: Sie durften hier Stelen mit ihrem Namen aufstellen und waren so bis in alle Ewigkeit mit Apis vereint.
Nitis war sehr beeindruckt von der Gruft für den toten Stier: Bis zur Decke war sie acht Meter hoch, und der riesige Sarkophag wog etwa sechzig Tonnen.
Der Hohepriester des Ptah schritt nun zur Mundöffnung von Apis, dem so die schöpferischen Worte zurückgegeben wurden. Dann befahl er den Soldaten, die Mumie in den Sarkophag zu legen und mit dem steinernen Deckel zu verschließen.
Glücklicherweise ging alles ohne Zwischenfälle vonstatten.
Während nun die Kammer der ewigen Ruhe zugemauert wurde, sah sich Kel um. Hastig entzifferte er die Inschriften auf den Stelen in der Hoffnung, eine Botschaft der Ahnen zu entdecken. Enttäuscht verließ er den langen Gang und wollte zu den Grüften, die im Dunklen lagen.
Ein Soldat versperrte ihm den Weg.
»Halt, wo willst du hin?«
»Ich soll hier eine Opfergabe ablegen.«
»Zutritt verboten.«
»Aber meine Opfergabe …«
»Du hast dich wohl verlaufen. Geh zurück.«
Der Schreiber gehorchte.
Am Ende der Feier wurden die Stelen der Würdenträger vor den zugemauerten Eingang zur Gruft gestellt, und die Ritualisten verließen schweigend die Totenstadt.
»Ein Soldat hat mir verboten, den einen Gang bis zum Ende zu gehen«, flüsterte Kel Nitis ins Ohr. »Er ist gerade gegangen. Jetzt ist niemand mehr im Serapeum. Ich muss meine Suche fortsetzen.«
»Das ist viel zu gefährlich! Die Wachen werden Euch aufhalten.«
»Bebon soll sie ablenken. Wenn ich jetzt nicht sofort etwas unternehme, erfahren wir die Wahrheit nie mehr. Schon morgen wird hier alles verschlossen sein.«
»Ich muss mit dem Hohepriester nach Memphis zurückkehren. Bitte seid vorsichtig!«
»Das bin ich, schließlich will ich Euch ja wiedersehen, Nitis.«
Ein Würdenträger rief nach ihr, und Kel entfernte sich.
Bebon ließ sich gerade einen Kuchen schmecken, und Nordwind hielt ein Nickerchen.
»Ich ahne schon, du hast mal wieder etwas Verrücktes im Sinn«, sagte der Schauspieler.
»Du lenkst die Wachen ab, ich gehe in das Serapeum zurück und sehe mich da um, dann verschwinden wir.«
»Ausgezeichnet! Widerrede zwecklos, habe ich recht?«
Es war mitten in der Nacht, und fünf der zehn Wächter schliefen tief und fest. Drei weitere dösten vor sich hin, und die beiden übrigen unterhielten sich über ihre Frauen. Weil sie viel unterwegs waren, begannen sie allmählich, an der Treue ihrer Gattinnen zu zweifeln.
Als ein paar Wolken das fahle Licht des zunehmenden Monds verdunkelten, huschte Kel zum Eingang in das unterirdische Reich. Der sollte am nächsten Tag versperrt werden, bis der Nachfolger des eben verstorbenen Apis eines Tages bestattet wurde.
Der Schreiber schlich auf allen vieren hinein, stand auf und lief zu dem Gang, den er nicht hatte betreten dürfen.
Weil ihm nur wenig Zeit blieb, nahm Kel eine der Lampen, die brennend
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