Götterfluch 2 - Die dunkle Priesterin
eine Hausecke.
Kurze Zeit später holte Nitis sie ab und brachte sie in das Erdgeschoss eines dreistöckigen Hauses, das eigentlich eher wie ein Schuppen aussah.
»Das scheint zwar kein Palast zu sein, aber immerhin sind wir jetzt endlich in Theben!«, sagte Bebon. »Ich kann's kaum glauben.«
»Diese Stadt kann unser Grab werden«, ermahnte ihn Kel. »Wie sollen wir es schaffen, zur Gottesdienerin zu kommen?«
»Ihre rechte Hand, der Haushofmeister Chechonq, scheint mir zugänglicher zu sein. Er hat in Theben das Sagen. Er leitet die gesamte Verwaltung und sorgt für den Wohlstand der Provinz.«
»Und wenn er uns feindlich gesonnen ist?«
Die Miene des Schauspielers verdüsterte sich.
»Dann müssen wir hier wieder weg.«
»So weit ist es ja noch nicht«, wandte Nitis ein. »Und jetzt sollten wir alle erst mal schlafen.«
Richter Gem nahm sein neues Reich in Besitz. Er besichtigte alle Arbeitszimmer und verteilte seine Mitarbeiter in dem beschlagnahmten Gebäude. Sein erster Schreiber räumte die Papyrusrollen und Holztafeln in Regale und richtete das Zimmer seines Herrn nach dessen Geschmack ein. Dann wurden auch schon alle bestellten Sachen geliefert, vor allem Schreibfarbe, Stilette, Paletten, Radiergummis, Lappen und viele Körbe.
Nach wenigen Stunden war sein neuer Arbeitsplatz einsatzbereit. Einige Häuser gegenüber wurden geräumt und die Mieter anderweitig untergebracht, weil man die Häuser für Wachmannschaften und Soldaten benötigte, die gerade in Theben eingetroffen waren.
Der Richter spürte, dass sich der letzte Abschnitt seiner Ermittlungen hier abspielen würde. Kel und seine Helfershelfer hatten die falschen Fischer irgendwie aus dem Weg geräumt, die Absperrungen hinter sich gelassen und ihr Ziel erreicht. Jetzt mussten sie aber auch noch die Tore von Karnak überwinden. Und dieser irre Plan hatte nur den Zweck, eine Sterbende zu sehen, die ihnen nicht mehr helfen konnte!
Lag die Gottesdienerin wirklich im Sterben? Für gewöhnlich führte man den obersten Beamten des Geheimdienstes nicht hinters Licht. Und dass Henat nach Sais zurückkehren wollte, bestärkte ihn eher in seiner Gewissheit. Außerdem – sollte der Schauspieler Bebon für Henat arbeiten, würde er dann nicht bald seinen ›Freund‹ Kel den Gerichten ausliefern?
Der Richter wurde von der Aufwartung des Haushofmeisters in seinen Gedanken unterbrochen. Dieser eindrucksvolle, etwas füllige und eigentlich angenehm wirkende Mann missfiel ihm vom ersten Augenblick an.
»Ich dachte schon, Ihr würdet überhaupt nicht kommen«, begrüßte er Chechonq knapp.
»Wichtige Geschäfte haben mich daran gehindert, Euch zu empfangen, ich bitte um Entschuldigung. Ihr könnt mir glauben, es ist nicht einfach, diese große Provinz zu verwalten.«
»Jeder hat seine eigenen Sorgen.«
»Seid Ihr mit Eurer Unterbringung zufrieden?«
»Es geht schon.«
»Wollt Ihr nicht lieber in ein ruhig gelegenes Haus mit einem schönen Garten, damit Ihr Euch besser ausruhen könnt?«
»Ich habe nicht die Absicht, mich auszuruhen, sondern ich will einen gefährlichen Verbrecher und seine Bande fangen.«
»Ich habe gehört, dass sie ertrunken sind«, sagte Chechonq erstaunt.
»Solchen Gerüchten solltet Ihr nicht trauen.«
»Sind die Thebaner etwa in Gefahr?«
»Ich selbst sorge für ihre Sicherheit und erwarte im Gegenzug Eure Unterstützung – angefangen bei Euch.«
»Ich stehe Euch voll und ganz zur Verfügung, Richter Gem.«
»Besorgt mir einen möglichst genauen Stadtplan und eine Karte dieser Provinz und sagt Euren Wachleuten, sie sollen sich einsatzbereit halten.«
»Oh, da gibt es nicht viele, und sie sind ausschließlich zum Schutz des Tempels von Karnak da.«
»Ab sofort unterstehen sie meinem Befehl.«
»Das müsste ich erst der Gottesdienerin berichten, aber …«
»Nun, was hindert Euch daran?«
Dem Haushofmeister schien es die Sprache verschlagen zu haben.
»Das ist eigentlich ein Geheimnis, ich …«
»Ich vertrete hier den Pharao, und ich will alles wissen. Außerdem hatte ich mich darauf eingerichtet, die Gottesdienerin morgen zu treffen und ihr selbst meine Absichten zu erläutern.«
»Das wird leider nicht möglich sein«, sagte Chechonq mit Bedauern in der Stimme. »Ihr Gesundheitszustand verbietet es ihr, irgendjemand zu empfangen – mich eingeschlossen. Die Bevölkerung weiß noch nichts von diesem Unglück. Und ich bin völlig ratlos.«
»Bewahrt weiter Stillschweigen und geht Euren Pflichten
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