Götterfluch 2 - Die dunkle Priesterin
erbaut, um ihren Ka am Leben zu halten! Ihr habt noch viel zu entdecken. Ganz zu schweigen von Karnak – das ist eine Welt für sich. Theben wird Euch für sich einnehmen, davon bin ich überzeugt.«
»Ich bin allerdings nicht als gewöhnlicher Besucher hier«, erinnerte Henat. »Der Pharao hat mir einen Auftrag anvertraut, den ich so schnell wie möglich erfüllen möchte.«
»Wie kann ich Euch behilflich sein?«
»Indem Ihr mir ein Gespräch unter vier Augen mit der Gottesdienerin ermöglicht.«
»Ich werde sie bitten, Euch so schnell wie möglich zu empfangen. Morgen muss ich allerdings zuerst die Deichverwalter bei mir vorsprechen lassen, um sicherzugehen, dass sie sich an meine Anweisungen gehalten haben. Es heißt, die Nilschwemme soll dieses Jahr sehr gut werden – weder zu hoch noch zu niedrig. Obwohl meine Leute wirklich sehr gut sind, bleibe ich doch misstrauisch. Zu große Zuversicht könnte einen dazu verleiten, nachlässig zu werden; der Spiegel in den Auffangbecken macht mir besondere Sorge. Die heiße Jahreszeit ist hier bei uns viel härter als in Sais, und unser Wohlstand kommt allein von harter Arbeit. Möchtet Ihr noch etwas Gebäck?«
»Nein, danke.«
»Vielleicht noch einen Dattelschnaps zur Verdauung?«
»Ich habe schon genug getrunken, Haushofmeister. Gestattet, dass ich mich zurückziehe.«
Ein Diener begleitete Henat zu seinem Zimmer.
Müde fiel er ins Bett und genoss die kühlen Laken und das weiche Kissen. Sein Aufenthalt in Theben versprach, ebenso kurz wie angenehm zu werden.
51
W ir haben zehn Verdächtige festgenommen«, erklärte der Leiter der Flusswache von Lykopolis Richter Gem. »Acht Männer und zwei Frauen.«
»Bringt sie auf der Stelle her.«
Doch die Enttäuschung war groß.
Lauter kleine Leute, die harmlose Gaunereien verbrochen hatten.
Kel, Nitis und Bebon war es also doch gelungen, die Stadt zu verlassen. Und zwar nicht über den Fluss, weil der Nil während der ersten Tage der Schwemme wegen der starken Strömung nicht schiffbar war. Zahllose Soldaten überwachten sämtliche Straßen und Wege Richtung Süden. Die Verantwortlichen erstatteten dem Richter täglich Bericht und führten ihm ihre Verdächtigen vor. Aber auch hier kein Erfolg.
Blieb nur noch eine Möglichkeit: die Wüste.
Aber wie sollten die Flüchtigen all die Gefahren überstehen, die ihnen dort drohten? Durst, Raubtiere, Schlangen und Skorpione würden sie nicht weit kommen lassen. Nur sehr erfahrene Leute, wie zum Beispiel die Männer, die in der Wüste Streife gingen, oder die Karawanenführer, konnten in dieser Hölle überleben.
Eine Karawane … Vielleicht war das des Rätsels Lösung.
Der Richter ließ den Schreiber zu sich kommen, der Ankunft und Abreise der Nomaden notieren und sie je nach ihrer Aufenthaltsdauer in Lykopolis besteuern musste.
»Wie viele Karawanen sind in den letzten Tagen von Lykopolis Richtung Süden aufgebrochen?«
»Nur eine einzige«, antwortete der Beamte, »die des Syrers Hassad.«
»Mit welchem Ziel?«
»Koptos.«
»Dieser Hassad … Ist das ein ehrlicher und zuverlässiger Mann?«
»Er kennt die Wege sehr genau und weiß, wo die Brunnen sind. Was seine Ehrlichkeit betrifft …«
»Würde er verdächtige Reisende mitnehmen?«
Der Schreiber zögerte.
»Den Gerüchten zufolge ja. Aber ich habe keinerlei Beweise.«
»Wann kommen die Wachen nach Lykopolis zurück, die in diesem Teil der Wüste unterwegs sind?«
»Nicht vor morgen.«
Es fiel dem Richter sehr schwer, sich in Geduld zu fassen.
Und die Wüstenwache verspätete sich immer mehr.
Als nach vier Tagen klar war, dass sich ein ernster Zwischenfall ereignet haben musste, beschloss der Richter, einen Rettungstrupp loszuschicken. Der Trupp wollte sich gerade auf den Weg machen, als die Wüstenwachen am östlichen Stadttor von Lykopolis auftauchten.
Der Leiter der Streife wurde sofort zu Richter Gem gebracht.
»So etwas habe ich noch nicht erlebt!«, berichtete er. »Dabei hatten wir die Karawane von Hassad zunächst überprüft, ohne dass uns etwas aufgefallen wäre. Dann aber trafen wir seine Familie völlig fassungslos wieder. Man erzählte uns, die Esel hätten den Aufstand geprobt, um einen Mann und eine Frau zu befreien, die ihr Familienoberhaupt Hassad gegen eine schöne Belohnung an die Wachtruppen in Koptos ausliefern wollte. Dann soll noch ein anderer Mann aufgetaucht sein und Hassad als Geisel genommen haben – alle vier sind dann zusammen verschwunden. Zwei meiner Leute
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