Götterschild
Erenor, in die Hand spielen. Das nenne ich einen erfolgreichen Fang. Ich wünsche noch einen schönen Tag, werte Gäste.« Dann ging er beschwingt hinaus, die Wachen folgten ihm auf dem Fuße und hinter ihnen fiel die Tür hart ins Schloss.
In der Zelle blieb eine eisige Stille zurück. Selira befreite sich aus Meatrils Umklammerung und eilte an Rais Seite, der an der Kellerwand hinabgesunken war.
»Alles in Ordnung?«, fragte sie besorgt. »Wie geht es deinem Hals?« Sie inspizierte die Stelle, wo Megas seinen Dolch platziert hatte, konnte aber keine Verletzung finden. »Und was macht dein Magen? Hast du noch Schmerzen?«
»Es geht«, erwiderte Rai mit kratziger Stimme. Er musste sich räuspern, um weiterzusprechen. »Dieser Kerl ist ein echtes Ungeheuer. Er ist vielleicht nicht ganz so brutal wie Ulag, aber auf seine Weise fast noch grausamer.«
Selira nickte und strich Rai flüchtig über die Wange. »Für eine Weile dachte ich, er tötet dich.«
Rai sah sie überrascht an und das erste Mal überhaupt konnte er ihrem Blick länger als ein paar Augenblicke standhalten. Selbst in diesem Kerker war dieser unbeugsame Glanz nicht aus ihren Augen gewichen. »Das dachte ich auch«, gab er schließlich leise zur Antwort.
Dann löste er seinen Blick von ihr und sah zu Belena hinüber, die immer noch in derselben Position am Boden lag, in der sie Megas dort zurückgelassen hatte. Sie rührte sich nicht, fast so, als hätten ihre Lebensgeister sie nun endgültig verlassen.
»Geht es ihr gut?«, erkundigte sich Rai.
Selira blickte sich um und senkte dann beschämt den Kopf, als sie Belena so mitleiderregend inmitten des Raumes liegen sah. »Ich glaube, ich bin etwas unsanft mit ihr umgesprungen. Das tut mir leid, aber ich musste doch irgendetwas tun!«
»Vielleicht solltest du ihr das sagen«, schlug Meatril behutsam vor. »Alles, was sie getan hat, geschah, um ihre Tochter zu schützen. Wir sollten sie dafür nicht verurteilen.«
Selira warf Rai einen unschlüssigen Blick zu, dann rappelte sich dieser auf und ging mit ihr zusammen zu der reglosen Belena hinüber.
»Ich möchte mich bei dir entschuldigen«, sagte Selira stockend. »Ich war sehr grob zu dir, obwohl du ohnehin schon genug durchleiden musstest. Ich wollte nur Rai helfen, es war seine furchtbare Lage, die mich so weit getrieben hat. Ich habe jetzt begriffen, warum du den Vater deiner Thalia nicht nennen wolltest. Bitte verzeih mir.«
Ein Zittern lief durch Belenas Körper, sonst geschah jedoch nichts. Rai ergriff ihre Hände und zog sie daran vorsichtig hoch. Langsam erhob sich die junge Mutter, wagte es aber noch immer nicht, einem von ihnen ins Gesicht zu schauen.
»Ich bin wohlauf«, versuchte Rai, sie zu trösten. »Keiner von uns wurde verletzt. Wir sitzen zwar in diesem Gefängnis fest, aber wir werden schon noch eine Möglichkeit finden, von hier zu entkommen, das verspreche ich dir. Wir finden deine Tochter, bevor Megas das tut. Dann spielt es keine Rolle, dass er gerade erraten hat, wessen Tochter sie ist. Ihr wird nichts geschehen, du wirst sehen.«
Als erwache sie gerade erst wieder aus einer tiefen Ohnmacht, hob Belena zaghaft den Kopf und blickte Rai an. Tränen begannen aus ihren Augen hervorzuquellen. »Es tut mir so leid, was ich euch angetan habe«, flüsterte sie. »Ich hasse mich selbst dafür, aber … meine Tochter …« Ihr versagte die Stimme und aus den vereinzelten Tränen wurde ein Strom.
Rai konnte nicht anders. Er musste Belena in den Arm nehmen. »Alles ist verziehen«, sprach Rai beschwichtigend auf sie ein. »Wir verstehen dich.«
»Stimmt das wirklich, dass Thalia Ardens Tochter ist?«, fragte Targ nach einer Weile ungläubig. »Das ist … ziemlich überraschend.«
Belena löste sich wieder aus Rais Umarmung und trocknete mit dem Ärmel ihr Gesicht. »Ja, es stimmt«, bestätigte sie mit gesenktem Blick.
»Und Arden weiß nichts davon?«, forschte Targ weiter nach.
Sie schüttelte den Kopf.
»Aber Arton wusste es ganz offensichtlich, als er sie in die Kriegerschule geholt hat«, stellte Meatril fest. »Vielleicht war das auch der Grund, warum er sie überhaupt aufnahm. Die Frage ist nur, warum er seinem Bruder nichts gesagt hat. Aber die beiden hatten ja schon immer ein kompliziertes Verhältnis zueinander. Wer weiß, was sich Arton dabei gedacht hat. Jedenfalls wird Megas nicht davor zurückschrecken, die Kleine als Geisel für seine Zwecke einzusetzen, wenn er sie in die Finger bekommt – mal ganz davon
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